Damit räumte der Gerichtshof Ungereimtheiten zwischen der europäischen Verordnung über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (Nr.1610/96) und der europäischen Richtline (91/414) aus dem Weg, nach der die nationalen Behörden in der EU Pflanzenschutzmittel zulassen. Umstritten war bislang, ob ergänzende Schutzzertifikate erlassen werden können, wenn das Pflanzenschutzmittel erst vorläufig zugelassen wurde oder nur, wenn eine endgültige Zulassung vorliegt.
Da die Verordnung jedoch festschreibt, dass ein ergänzendes Schutzzertifikat nur einmal und mit der ersten Zulassung beantragt werden kann, bestand für die Hersteller eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Wäre es in der Praxis auf der Basis einer vorläufigen Zulassung unwirksam gewesen, hätten die Hersteller im Falle der endgültigen Genehmigung keine zweite Chance mehr gehabt. In der EU wurden bislang jedoch 80 Prozent der Zulassungen vorläufig erteilt, wie ein Branchenkenner meint. Ein Großteil der Schutzzertifikate wäre demnach ungültig gewesen, hätte der Gerichtshof im konkreten Fall anders entschieden. Schutzzertifikate verlängern unter bestimmten Voraussetzungen den Patentschutz.
Ausgangspunkt der gestrigen Entscheidung war eine Nichtigkeitsklage der Kanzlei Lovells (seit Mai 2010 Hogan Lovells) aus dem Jahr 2003 gegen ein Schutzzertifikat von Bayer CropScience auf das Herbizid Idosulfuron. Es wird unter anderem unter der Marke Hussar vertrieben. Bayer war zum Zeitpunkt der Klageerhebung Inhaberin eines entsprechenden Patents und ergänzenden Schutzzertifikats. Lovells berief sich darauf, dass das Schutzzertifikat zu Unrecht erlassen wurde, da Bayer CropScience nur eine vorläufige und keine, wie im Wortlaut der Entscheidung festgelegt, „gültige Genehmigung“ für Idosulfuron besaß. Das Bundespatentgericht hatte das Verfahren 2009 dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Vertreter Hogan Lovells
Dr. Karl Pörnbacher, Dr. Steffen Steininger (München)
Vertreter Bayer CropScience
König Szynka Tilmann von Renesse (Düsseldorf): Dr. Dorothea von Renesse, Dr. Norbert Schwenk, Gregor König (alle Patentanwälte)
DLA Piper (Frankfurt): Dr. Julia Schönbohm
Inhouse (Langenfeld): Dr. Bettina Wanner, Dr. Thomas Schulte, Dr. Dorian Immler (Rechts- u. Patentabteilung), Dr. Madeleine Seyn (Zulassungsabteilung)
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft, 2. Kammer
J.N. Cunha Rodrigues (Kammerpräsidenten), A. Arabadjiev, A. Rosas, A. Ó Caoimh, P. Lindh, V. Trstenjak (Generalanwältin), K. Malacek (Kanzler)
Hintergrund: Mit diesem positiven europäischen Urteil kann die Düsseldorfer Patentanwaltskanzlei König Szynka Tilmann von Renesse auf einen weiteren wichtigen Prozesserfolg verweisen. Die als ausgesprochene Prozessexperten bekannten Patentanwälte hatten 2008 für den Pharmakonzern Eli Lilly die viel diskutierte Olanzapin-Entscheidung erstritten (mehr…). Das Urteil des Gerichtshofs stellt auch für die junge Patentpraxis von DLA Piper um Julia Schönbohm einen ersten wichtigen Prozesserfolg da. Das Rechtsanwalts-Team war von den König Szynka-Patentanwälten nach der Entscheidung des Bundespatentgerichts ins Mandat geholt worden.
Informationen, warum mit Hogan Lovells ausgerechnet eine Anwaltskanzlei gegen den Pflanzenschutzhersteller geklagt hatte, liegen der Redaktion nicht vor. Auch ist nicht bekannt, ob die Kanzlei, deren Patentpraxis zu den renommiertesten in Deutschland zählt, stellvertretend für einen anderen Hersteller klagte, wie unter Beobachtern spekuliert wird. Bekannt ist in der Branche jedoch die enge Verbindung zwischen den Patentrechtlern von Hogan Lovells und König Szynka. Düsseldorfer Hogan Lovells-Anwälte waren ebenfalls für Eli Lilly an der Olanzapin-Entscheidung beteiligt. Die Kanzlei äußerte sich nicht zu dem Verfahren.