„Gerade in diesem Fall scheint das Steuergeheimnis verletzt worden zu sein, das dem Schutz jedes Bürgers dient“, so Mellinghoff in der heutigen Ausgabe der ,Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘. „Jeder Steuerpflichtige muss sich darauf verlassen können, dass die Vertraulichkeit und Verschwiegenheit der Finanzbeamten gewahrt bleibt.“
Am vergangenen Wochenende war bekannt geworden, dass Hoeneß mit einer Selbstanzeige wegen nicht erklärter Kapitaleinkünfte um Straffreiheit kämpft. Bereits im Januar hatte er sich den Finanzbehörden offenbart. Unter der Leitung von Achim von Engel ermittelt die Staatsanwaltschaft München II derzeit, um dem Verdacht auf Steuerhinterziehung nachzugehen. Bereits im März erging einen Haftbefehl gegen Hoeneß, der nur gegen eine Kaution von fünf Millionen Euro ausgesetzt wurde.
Jüngsten Pressemeldungen zufolge wollen einige Mitglieder des FC Bayern-Aufsichtsrats, in dem diverse einflussreiche Wirtschaftsmanager sitzen, Hoeneß nahelegen, seine Ämter vorübergehend ruhen zu lassen. Bei einer möglichen Anklage sei der Präsident nicht mehr zu halten, heißt es.
Bei einer Verurteilung muss Hoeneß im schlechtesten Fall mit einer Haftstrafe bis zu zehn Jahren rechnen. Die von ihm gewählte Selbstanzeige ist in aller Regel dazu geeignet, die Anonymität zu wahren. Gerade deshalb wird der Fall in der Szene der Steuerstrafrechtler aktuell intensiv diskutiert (mehr…)
Vor allem über die mediale Aufbereitung der Affäre Hoeneß ist Mellinghoff verärgert, der die Schuld dafür bei Amtsträgern und Behörden sieht. „Finanzbeamten, Richter, aber auch Ministerien ist es grundsätzlich untersagt, über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zu berichten, die ihnen bekannt geworden sind. Das gilt auch für Strafverfahren im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung“, so der Präsident des Finanzhofs. Die Verletzung des Steuergeheimnisses sei eine Straftat, so Mellinghoff.
Bayrische Behörden und Justiz unter Beschuss
Trotz der Selbstanzeige leitete die Staatsanwaltschaft umfangreiche Ermittlungen ein. Diese Aktivitäten inklusive Durchsuchungen im Hoeneß-Anwesen am Tegernsee dürften dafür gesorgt haben, dass der Fall an die Öffentlichkeit gelangte. Bislang ist unklar, ob die Informationen im Fall Hoeneß von der bayrischen Finanzverwaltung oder Staatsanwaltschaft München an die Presse weitergegeben wurden. Als erstes Medium hatte das Nachrichtenmagazin ,Focus‘ über die Sache berichtet.
Grundsätzlich sieht es Mellinghoff mit Sorge, wenn die Staatsanwaltschaft „in einem Ermittlungsverfahren schon frühzeitig die Öffentlichkeit informiere.“ In dem ,FAZ’-Interview wendet sich Mellinghoff außerdem an die Strafgerichte, vor denen sich Hoeneß möglicherweise verantworten muss, aber auch an die Journalisten, die über den Fall berichten. „Die Unschuldsvermutung richte sich in erster Linie an die Richter und an die Strafverfolgungsbehörden“, sagte Deutschlands höchster Steuerrichter, „ aber in zweiter Linie auch an die Medien. Sie haben ebenfalls zu gewährleisten, dass so berichtet wird, dass die Unschuldsvermutung zur Geltung kommt.“
Nicht nur wegen der Hoeneß-Affäre steht die bayrische Justiz derzeit im Kreuzfeuer der Kritik. So musste der Strafsenat des Oberlandesgerichts München den Auftakt im sogenannten NSU-Prozess auf Mai 2013 verschieben, weil kein ausreichendes Kontingent für die Vertreter ausländischer Medien zur Verfügung stand. Das Gericht musste eine interne Kommunikationspanne eingestehen, eine entsprechende Verfassungsbeschwerde der türkische Tageszeitung ,Sabah‘ vor dem Bundesverfassungsgericht hatte Erfolg.