Corona

Arbeitsrecht im Krisenmodus

Autor/en
  • Catrin Behlau

Egal, ob Betriebsratssitzungen, Kurzarbeit oder der Arbeitnehmerdatenschutz: Die Corona-Pandemie stellt das deutsche Arbeitsrecht vor enorme Herausforderungen. Bei den Betriebsparteien ist Pragmatismus gefragt – mit unsicherem rechtlichen Ausgang. JUVE hat führende Arbeitsrechtsexperten gefragt, worauf es ankommt, und wo es hakt.

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Barbara Reinhard
Barbara Reinhard

Arbeitsschutz und Arbeitszeit
„Die Regeln des Arbeitsrechts und insbesondere des Arbeitsschutzrechts treten nicht automatisch aufgrund der Corona-Krise außer Kraft. Allerdings haben zum Beispiel Bezirksregierungen schnell reagiert und in bestimmten Bereichen Ausnahmen bei der täglichen Höchstarbeitszeit, bei den Regelungen zu Ruhepausen und bei der Sonn- und Feiertagsruhe zugelassen. Zudem ist im Bundestag eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes beschlossen worden, wonach auf Bundesebene Verordnungen zulässig sein werden, für epidemische Lagen Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz zuzulassen. So kann in Branchen mit derzeitiger Höchstarbeitslast flexibler reagiert und auch über den 10-Stundentag und die 48-Stundenwoche hinaus gearbeitet werden. Wenn es um die Verlagerung von Arbeiten ins Homeoffice während der Krise geht, sollte man mit Blick auf die vorübergehende Natur eher von einem Mobilen Arbeiten als vertraglich geregelten und fest eingerichteten Telearbeitsplätzen sprechen. Dies reduziert die Arbeitgeberpflichten im Arbeitsschutz. Und was die erforderliche betriebliche Mitbestimmung angeht, zeigt die gelebte Praxis, dass die Betriebsparteien zu schnellen praktikablen Lösungen in der Lage und bereit sind.“ Dr. Barbara Reinhard, Kliemt, Frankfurt

Markus Künzel
Markus Künzel

Kurzarbeit
„Die Einführung von Kurzarbeit ist für Unternehmen aller Größenordnungen, die aufgrund der sogenannten Corona-Pandemie vorübergehend nicht in der Lage sind, ihre Mitarbeiter im bisherigen Umfang zu beschäftigen, ein effektives Instrument, ihre Kosten sofort signifikant abzusenken. Für die Unternehmen, die auf behördliche Anordnung vollständig schließen mussten (zum Beispiel im Einzelhandel), ist die Einführung der Kurzarbeit ‚0‘ häufig die einzige Möglichkeit, eine Insolvenz zu vermeiden. Durch die Neuregelungen wird der Einspareffekt noch größer und eröffnet die Möglichkeit, jedenfalls zunächst ohne Personalabbau diese Krise zu durchstehen. Arbeitnehmer verlieren nicht ihren Arbeitsplatz, Arbeitgeber behalten ihre qualifizierten und eingearbeiteten Belegschaften für den Neustart. Die Einführung erfolgt entweder durch Betriebsvereinbarung oder – falls kein Betriebsrat im Betrieb besteht – durch Änderungsvertrag. Häufig sind Arbeitgeber dazu bereit, Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld zu bezahlen, um die finanziellen Auswirkungen abzumildern. Wichtig ist, diesen Prozess durch eine geeignete Kommunikation zu begleiten, um die Solidarität aller einzufordern, gemeinsam diese außergewöhnliche Zeit bis zum ‚Neuanfang‘ durchzustehen.“ Markus Künzel, Beiten Burkhardt, München

Philipp Byers
Philipp Byers

Datenschutz
„Der Beschäftigtendatenschutz wird durch Corona nicht aufgeweicht. In pandemiefreien Zeiten muss der Mitarbeiter zu den Einzelheiten seiner Erkrankung nichts sagen. Hier hat das Persönlichkeitsrecht Vorrang. Während einer Pandemie ist dem Gesundheitsschutz dagegen besondere Bedeutung einzuräumen. Ein Mitarbeiter, der Anhaltspunkte für eine Corona-Infektion liefert, wird Fragen über seinen Gesundheitszustand hinnehmen müssen. Es gilt schon immer: Die Zulässigkeit der Verarbeitung von Mitarbeiterdaten wird durch eine Interessenabwägung im Einzelfall bestimmt. Die derzeit erleichterte Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist das Ergebnis einer solchen Abwägung. Durch Corona wird deutlich, dass die DSGVO kein dogmatisches ‚Verbotsgesetz‘ ist. Vielmehr sind praxisgerechte Lösungen in Krisenfällen möglich. Dr. Philipp Byers, Partner bei Watson Farley & Williams, München

Björn Gaul
Björn Gaul

Mitbestimmung
„Bis zum Ausbruch der Corona-Krise entsprach es ganz herrschender Meinung, dass die Beschlussfassungen der Betriebsräte nur in Präsenzsitzungen mit Anwesenheit einer beschlussfähigen Anzahl der BR-Mitglieder erfolgen konnten. Das schließt Beschlussfassungen per Telefon oder Videositzung ebenso aus wie Beschlussfassungen im Umlaufverfahren. Das Problem liegt jetzt aber darin, dass diese Präsenzsitzungen in Zeiten von Corona nicht mehr stattfinden können und sollen. Betriebsräte sind handlungsunfähig und beschlussunfähig, weil sie nicht einmal anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen können, um bei Gericht Ansprüche durchzusetzen. Die Idee, hier von einem ‚übergesetzlichen Notstand‘ auszugehen oder sich auf ministerielle Meinungsbekundungen zu berufen, die ein Gesetz nicht verändern (sondern nur ohne jede Verbindlichkeit interpretieren) können, lässt alle Beteiligten im Regen stehen. Sie schafft Rechtsunsicherheit. Überflüssige Rechtsunsicherheit, weil die Gesetzesvorschläge auf dem Tisch liegen. Aus meiner Sicht ist es dringend geboten – ggf. befristet bis zum 31.12.2020 – eine gesetzliche Regelung zum Einsatz moderner Kommunikationsmittel zu schaffen. Man könnte sie an die Zustimmung einer bestimmten Anzahl von BR-Mitgliedern oder das Vorliegen eines wichtigen Grundes knüpfen.“ Prof. Dr. Björn Gaul, CMS Hasche Sigle, Köln

Michael Fausel
Michael Fausel

Entsendung
„Zu den anerkannten Fürsorgepflichten des Arbeitgebers gehört unter anderem der Schutz des Arbeitnehmers in seiner Person. Dies bezieht sich nicht nur auf sicherheitspolitische Umstände im Einsatzland (zum Beispiel der Gefahr von Terroranschlägen), sondern auch den momentan fast überall bestehenden Gefahr einer Erkrankung. In der jetzigen Corona-Krise ist das System der Entsendungen quasi zum Erliegen gekommen. Die meisten Unternehmen rufen ihre Mitarbeiter zurück, ordnen Arbeit im (deutschen) Homeoffice an und verzichten auf Tätigkeiten ihrer Mitarbeiter im Ausland. Insoweit ist sodann durch die Arbeitgeber gegenüber den Sozialversicherungsbehörden die Meldung abzugeben, dass die Entsendung vorzeitig endete und die Bescheinigungen sowie die Datenlage korrigiert werden muss. Dies wird jedoch kein Dauerzustand sein und keinesfalls das Rad der Zeit sowie der Globalisierung zurückdrehen. Daher ist zu erwarten, dass ab dem Zeitpunkt, an dem Licht am Ende des ‚Corona-Tunnels‘ zu sehen sein wird, die Tätigkeiten von Unternehmen im Ausland sofort und explosionsartig wieder zunehmen werden und damit auch das System der Entsendungen seinen Erfolgsweg fortsetzen wird.“ Michael Fausel, Bluedex, Frankfurt

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