EnBW

Diskussion über Schiedsklage wegen unzulässiger Beihilfe entbrannt

Im Streit um den Kauf der EnBW-Anteile durch das Land Baden-Württemberg Ende 2010 gibt es eine überraschenden Vorstoß gegen den französischen Energiekonzern EdF. Die Landesregierung hat gegen EdF Schiedsklage durch die landeseigene Tochter Neckarpri bei der Internationalen Handelskammer ICC in Paris eingelegt. Viele Juristen zweifeln an den Erfolgsaussichten.

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Grundlage der Entscheidung ist ein Gutachten der Kanzlei CBH Rechtsanwälte. Das Gutachten lenkt das Augenmerk auf Ansprüche gegen die Verkäuferin. Möglicherweise hat der französische Energiekonzern Electricité de France (EdF) einen überhöhten Kaufpreis verlangt, und es liegt ein Fall der europarechtswidrigen Beihilfe vor. Diese Frage wird Gegenstand des Schiedsverfahrens sein, das in der Schweiz in Zürich stattfindet und in englischer Sprache geführt wird.

Rechtliches Neuland. „Diese Art von Diskussion stellt sich normalerweise bei Privatisierungstransaktionen“, umreißt ein beihilferechtlich spezialisierter Anwalt das Besondere an dem Fall. „Während sich dort die Frage stellt, ob der Staat zu wenig Geld erlöst hat, ist es hier genau umgekehrt.“ Sehr viel Literatur gibt es zu der Thematik nicht, doch einige weisen auf eine Entscheidung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1997 hin. Die Brüsseler Beamten wiesen den französischen Staat damals darauf hin, dass die im Gegenzug für eine Kapitalspritze an den Thomson-Konzern übertragenen Aktien an Crédit Lyonnais um 30 Prozent überbewertet waren. Dies bewerteten sie als eine rechtswidrige Beihilfe (EU-Kommission vom 1. Oktober 1997, ABl. Nr. L 67/31, 7. März 1998).

Eines der Standard-Instrumente um zu prüfen, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, ist der Private-Investor-Test. Damit soll geklärt werden, ob andere potenzielle Bieter für den Ankauf der EnBW-Anteile ähnlich viel bezahlt hätten wie das Land Baden-Württemberg. Doch diese Frage wird schwer zu beantworten sein, denn ohne konkrete andere Bieter ist die Bewertung der EnBW-Anteile wohl nur über aufwändige Gutachten möglich sein.

„Die beihilferechtliche Prüfung ist im Detail nicht so einfach“, sagt ein Spezialist. „Als Angreifer muss das Land jetzt alles nachweisen, was seine Meinung stützt, dass in der Höhe des Kaufpreises eine rechtswidrige Beihilfe liegt.“ Die meisten Beihilferechtler, die zu dem Fall eine erste Einschätzung abgegeben haben, ordnen tatsächlich weniger die Rechtsfragen als problematisch ein, als vielmehr die komplexen ökonomischen Bewertungsfragen. Denn nicht nur gab es keine anderen Bieter für die EnBW-Anteile, was den Vergleich mit anderen Angeboten unmöglich macht. Auch über den Zeitpunkt der Bewertung wird sicherlich heiß diskutiert werden.

Grundsätzliche Zweifel. „Selbst wenn sich herausstellt, dass das Land mehr bezahlt hat, ist aber noch nicht automatisch klar, dass hier eine unzulässige Beihilfe geflossen ist“, argumentiert ein Brüsseler Anwalt. „Im nächsten Schritt stellt sich die Frage: Aus welchen Gründen wurde zu viel gezahlt? Theoretisch kann es für die öffentliche Hand durchaus vernünftige Gründe geben, mehr zu bieten. Zum Beispiel könnte es darum gehen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“

Doch klar ist auch: Kann eine rechtswidrige Beihilfe nachgewiesen werden, dann droht der ganze Vertrag nichtig zu sein. „Das ist hoch spannend“, findet ein deutscher Beihilferechtler und führt eine BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2004 an (BGH vom 20. Januar 2004, Aktenzeichen XI ZR 53/03) „Der Bundesgerichtshof wendet die Nichtigkeitsfolge relativ weitgehend an, denkbar wäre aber auch eine Preiskorrektur nach unten. In dem Fall müsste EdF das zu viel Gezahlte an das Land Baden-Württemberg zurückerstatten.“

Noch unklar ist die konkrete Höhe der Ansprüche, die geltend gemacht werden. Es ist aber davon auszugehen, dass es angesichts des Kaufpreises mindestens um mehrere hundert Millionen Euro geht. Der Kaufpreis hatte ursprünglich 4,7 Milliarden Euro betragen. In dem Bericht der Landesregierung an den Untersuchungsausschuss vom 25. Januar, der JUVE vorliegt, wird eine Analyse der Bank Société Générale aus dem September 2010 zitiert, die von einem Kursziel von 34 Euro pro Aktie ausgeht. Wenige Monate später hatte das Land einen Kaufpreis von 41,50 Euro pro Aktie gezahlt. Für das gesamte Aktienpaket ergibt sich daraus abgeleitet eine Differenz von rund 800 Millionen Euro.

Der mehrheitlich dem französischen Staat gehörende Konzern hat inzwischen durchblicken lassen, dass er die Schiedsklage nicht nur als grundlos, sondern sogar als rechtsmissbräuchlich ansieht.

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