JUVE: Der Bundestag hat am 6. März die Frauenquote in Aktiengesellschaften beschlossen. Was bedeutet sie für Unternehmen in Deutschland?
Barbara Mayer: In erster Linie betroffen sind die 108 börsennotierten Unternehmen, die mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigen. Wann immer die Amtszeit eines männlichen Aufsichtsrats in diesen Unternehmen endet, wird eine Verlängerung künftig nur möglich sein, wenn bereits ausreichend Frauen im Aufsichtsrat vertreten sind, sei es auf der Anteilseigner- oder auf der Arbeitnehmerseite. Die Aufsichtsräte werden folglich aktiv auf die Suche nach passenden Frauen gehen müssen, im Inland oder Ausland.
Das Gesetz gilt formal nur für Aufsichtsräte in börsennotierten und mitbestimmten Großunternehmen. Was aber sind die Folgen für kleine und mittlere Unternehmen?
Die rund 3.500 Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen künftig eigene Ziele für Frauenanteile in Aufsichtsrat, Vorstand oder Geschäftsführung und den beiden darunterliegenden Führungsebenen definieren und ihre Erfolge bei der Erreichung dieser Ziele veröffentlichen. Die ersten Ziele müssen bis 30. September präsentiert werden; damit hat die Koalition den Unternehmen noch drei Monate mehr Zeit eingeräumt als ursprünglich geplant. Wie die Ziele formuliert und wie die betroffenen Managementebenen definiert werden, ist nicht vorgegeben. Und Sanktionen sind mit der Nichterfüllung der selbst gesetzten Ziele nicht verbunden.
Welche Ausnahmeregelungen sind für Familienunternehmen notwendig?
Ausnahmeregelungen halte ich nicht für erforderlich: Die meisten Familienunternehmen gehören nicht zur Gruppe der 108 Unternehmen, bei denen die feste Quote im Aufsichtsrat gilt. Und dass börsennotierte Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern – unabhängig von ihrer Gesellschafterstruktur – die Quote einhalten müssen, finde ich in Ordnung. Wenn große Familiengesellschaften an die Börse gehen und die damit verbundenen Vorteile nutzen möchten, müssen sie auch die daran geknüpften Regularien akzeptieren. Und dazu wird künftig auch die Geschlechterquote im Aufsichtsrat gehören.
Sachverständige hatte im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens deutliche Kritik am Entwurf der Bundesregierung geäußert. Welche Änderungen hatte dies für die Privatwirtschaft zu Folge?
Die massive Kritik bezog sich im Wesentlichen auf den öffentlichen Dienst, also auf die Neuregelungen im Bundesgleichstellungsgesetz. Für die Privatunternehmen blieben alle wesentlichen Eckpunkte unverändert, insbesondere die gesetzliche Quote von 30 Prozent für Frauen und Männer im Aufsichtsrat und die Rechtsfolge des „leeren Stuhls“, wenn die Quote verfehlt wird. Umstritten war bis zuletzt das Prinzip der Gesamterfüllung; danach kommt es nicht darauf an, ob die Quote im Anteilseigner- oder im Arbeitnehmerlager erreicht wird. Beide Seiten haben aber die Möglichkeit, der Gesamterfüllung zu widersprechen; dann muss jede Seite für sich die Quote von 30 Prozent realisieren. In diesem Punkt haben sich Regierung und Parlament gegen den DGB durchgesetzt.
In welchen Punkten musste die Bundesregierung nachbessern?
Die Neuregelungen im Bundesgleichstellungsgesetz wurden von etlichen Sachverständigen, vor allem auch aus der Praxis, heftig kritisiert. Daraufhin wurde geändert, dass Männerförderung nicht überall da stattfinden soll, wo es weniger Männer als Frauen gibt, sondern nur dort, wo Männer strukturell benachteiligt sind. Nach allem, was ich in der Anhörung von den Sachverständigen gehört habe, scheint mir diese Änderung sinnvoll.
Bestehen noch verfassungsrechtliche Stolpersteine für das Gesetz?
Aus meiner Sicht hat die Sachverständigen-Anhörung ergeben, dass die Frauenquote in Privatunternehmen verfassungsrechtlich machbar ist, und zwar auch ohne eine Öffnungsklausel für besondere Ausnahmefälle. Alle Experten waren sich einig, dass es kein Problem darstellen dürfte, weltweit 30 bis 300 geeignete Frauen für ein Aufsichtsratsamt zu finden. Interessant war die Aussage des Münchner Verfassungsrechtlers Dr. Martin Heidebach, wonach bei Aufsichtsratspositionen – anders als bei Exekutivfunktionen– ohnehin kaum Qualifikationskriterien definiert werden können, sondern gerade die Bandbreite von Erfahrungen und Kompetenzen wichtig ist.
Die Bundesfamilienministerin plant bereits das nächste Gesetz für transparente Gehälter. Was kommt hier auf die Wirtschaft zu?
Der Entwurf des Entgeltgleichheitsgesetz soll die bestehende Lohndifferenz von 22 Prozent zwischen Männern und Frauen verringern. Zwar erklärt sich ein großer Teil der Gehaltsunterschiede dadurch, dass sich viele junge Frauen für ehrenhafte, aber schlechter bezahlte Sozialberufe entscheiden oder nach der Geburt eines Kindes eine Babypause einlegen oder in Teilzeit arbeiten. Es bleiben aber immer noch rund 7 Prozent nicht nachvollziehbare Gehaltsunterschiede, die die Familienministerin durch mehr Transparenz reduzieren möchte. Der Gesetzentwurf sieht nicht vor, dass jeder Mitarbeiter Anspruch darauf hat zu wissen, was die Kollegen verdienen. Wohl aber sollen alle Mitarbeiter erfahren dürfen, nach welchen Kriterien er oder sie eingestuft wurde und wie die Gehaltsstrukturen aussehen. Das Gesetz soll allerdings nur für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gelten.
Das Gespräch führten Aled Griffiths und Mathieu Klos