Die gute Nachricht zuerst, liebe Anwältinnen und Anwälte: Sie machen sich die ganze Arbeit nicht umsonst! Ihre Mandanten honorieren die Mühe, die in Ihren täglichen Corona-Updates steckt. Doch unter den vielen nützlichen Hinweisen gibt es Ärgernisse, die nur als lästige Akquise aufgefasst werden.
„Binsenweisheiten gibt es auf LinkedIn genug“
„Nicht nur lästig, sondern geradezu ärgerlich sind inhaltslose Auflistungen mit Tipps zur Arbeit im Homeoffice oder ähnliche Binsenweisheiten. Auch massenhaft auf LinkedIn zu finden“, sagt beispielsweise Christoph Böhringer, General Counsel beim Spirituosenhersteller Mast Jägermeister. „Wir – und andere Unternehmen mit Sicherheit auch – sind hier sehr professionell aufgestellt, verfügen über ein sehr effektives Krisenmanagement und enorme Kapazitäten, was die infrastrukturellen Voraussetzungen angeht. Da wirken solche Nachrichten nicht nur anbiedernd, sondern auch ermüdend.“
So sieht es auch Tobias Haar, General Counsel beim Reise-Start-up Omio. Viele Infos seien hilfreich, aber vieles wird auch nur rausgejagt, um das Thema schnellstmöglich zu besetzen. „Seit Beginn der spürbaren Verschärfung der Corona-Krise nahm gefühlt auch die Anzahl von Infomails und Newsletters aus deutschen und internationalen Anwaltskanzleien zum Thema exponentiell zu“, sagt Haar. „Sicher gab es kein Drehbuch für die jetzige Krise, manchmal wäre ein Weniger aber mehr gewesen. Unternehmensjuristen und -entscheider brauchen in unsicheren Zeiten verlässliche Informationen mehr denn je – die schnelle Akquise stand oft allzu sehr im Vordergrund.“
„Wer nur sagt, dass er weiterarbeitet, braucht deshalb keine Mail zu schicken“
Genauso sinnlos sind Mails, in denen die Kanzleien versichern, dass sie allzeit bereit und rund um die Uhr verfügbar sind, meint Friederike Rotsch, Chefjuristin des Pharmakonzerns Merck. „Ich finde die Newsletter sehr hilfreich und bin den Kanzleien sehr dankbar dafür. Weniger passend finde ich E-Mails von Kanzleien, die mir bestätigen, dass sie weiterarbeiten und ich mich gern an sie wenden kann. Davon gehe ich – offen gestanden – ohnehin aus. Auch direkte E-Mails an mich mit Hilfsangeboten finde ich in der Regel überflüssig.“ Wenn Hilfe gebraucht wird, dann greift das Juristen-Team von Merck selbst zum Telefonhörer, um bei den Stammberatern nachzufragen.
Force majeure? „Lachhaft, wenn uns Kanzleien hier ungefragte Ratschläge geben“
„Ähnlich verhält es sich mit vermeintlich Rechtsthemen betreffenden Updates, mit denen aber auch nur Offensichtliches dargelegt oder Mutmaßungen angestellt werden“, sagt Jägermeister-Rechtschef Böhringer. Zum Beispiel, dass Pandemie-Ereignisse in langfristigen Schuldverhältnissen und Lieferbeziehungen als Force-majeure-Ereignisse mit den entsprechenden Konsequenzen wirken könnten. „Das ist nahezu lachhaft, denn professionelle Rechtsabteilungen sind durchaus in der Lage, zu den entsprechenden juristischen Einschätzungen des Leistungsstörungsrechts zu kommen. Niemand von uns Unternehmensjuristen braucht hier ungefragte Ratschläge.“ Noch schlimmer seien Mutmaßungen über Eventualitäten. „Das ist schlicht überflüssig“, so Böhringer.
Spekulationen und Gemunkel darüber, welche Risiken in Verträgen schlummern könnten, passen nicht in den Zeitgeist, wo man eher nach Lösungen, als nach Problemen sucht. Diese Ansicht teilt auch der Syndikus einer großen deutschen Bank: „Wenig hilfreich sind die Kanzleiinformationen, die (künstlich) Probleme mit MAC-Klauseln (Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, Anm. der Redaktion) etc. aufwerfen und diskutieren, da in der jetzigen Situation ein Unternehmen mit seinen Vertragspartnern normalerweise gemeinsam nach Lösungen sucht. Die Diskussion von juristischen Spitzfindigkeiten ist da nicht hilfreich.“
Keine Zeit für Webinare
Die Pandemie trifft fast alle Unternehmen, aber auf unterschiedliche Weise. Deshalb sind auch die Nöte eines international tätigen Industrieunternehmens andere, als die des Blumenhändlers um die Ecke. Dr. Jan Eckert, General Counsel des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen, findet das Informationsangebot der Kanzleien über die Entwicklungen in Deutschland sehr hilfreich, aber „da wir in fast allen Industrienationen Produktionsstätten haben, fehlt mir eine Übersicht über Maßnahmen in anderen europäischen Ländern, Asien und Amerikas“.
Wenig willkommen sind offenbar Webinar-Angebote, wie das Portal law.com berichtet. Es zitiert die Beraterin Catherine Moon der Vanderbilt Law School in Nashville. Sie hatte bei Twitter darauf aufmerksam gemacht, dass Mandanten im Moment einfach keine Zeit für Web-Seminare haben. Darauf entspann sich eine muntere Unterhaltung darüber, was Mandanten derzeit wünschen und was nicht.
Gibt es auch: Newsletter als „wertstiftende Dienstleistung“
Das fragen auch Sie sich nach dieser Info-Mail-Schelte? Christoph Böhringer fasst – stellvertetend für viele Juristen, mit denen wir gesprochen haben – zusammen, was Inhouse-Juristen sich wünschen: „Kurze, präzise Darstellungen der aktuellen Rechtsänderungen oder Gesetzesinitiativen mit entsprechender Verlinkung (wie etwa gestern das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite) oder zusammenfassende Auflistungen von Förderangeboten durch Bund und Länder. Das ist sehr hilfreich und erspart wertvolle Recherchezeit. Diese Art von wertstiftender Dienstleistung ist sehr willkommen.“ (Christiane Schiffer)