Kommentar

Kanzleizusammenschluss: In den Schoß gefallen

Autor/en
  • Aled Griffiths

Für Allen & Overy ist die Möglichkeit, mit Shearman zu fusionieren, ein Glücksfall. Vor allem für ihre US-Strategie, meint Aled Griffiths.

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Aled Griffiths

Der Zusammenschluss der Magic-Circle-Kanzlei Allen & Overy mit dem altehrwürdigen US-Haus Shearman & Sterling ist zweifellos ein Gamechanger. Denn bislang haben die US-Kanzleien die Bemühungen der führenden UK-Kanzleien, in den US-Markt einzudringen, nicht wirklich ernst genommen. Die Fusion von Clifford Chance vor mehr als zwanzig Jahren hat kaum Spuren hinterlassen, und die Anwerbung führender Quereinsteiger durch Freshfields in den vergangenen Jahren wurde nur flüchtig zur Kenntnis genommen.

Aber sieben Büros in den USA mit 80 Partnern in der New Yorker Zentrale wie nun bei Shearman: Das ist ein völlig anderes Szenario. Allen & Overy hatte ihre Absichten bereits 2018 durch ihre Fusionsgespräche mit der amerikanischen Westküstenkanzlei O’Melveny & Myers deutlich gemacht. Damals dachte man, der einzige Weg, den US-Markt zu knacken, wäre es, einen Umweg um New York herum zu nehmen. Es ist daher ein bemerkenswerter Glücksfall, dass Shearman den Briten praktisch in den Kanzleischoß gefallen ist.

A&O trifft auf geschwächten Fusionspartner

Shearman war in Fusionsgesprächen mit Hogan Lovells, aber Letztere wurde Insidern zufolge durch die riesigen Pensionsverpflichtungen bei den Amerikanern abgeschreckt. Shearman befand sich dadurch in einer äußerst kritischen Lage – und brauchte dringend einen Fusionspartner. Nur so ließen sich weitere Abgänge und ein eventueller Zusammenbruch verhindern. Allen & Overy dagegen war in einer starken Verhandlungsposition und wird wohl einen besseren Deal als Hogan Lovells abgeschlossen haben. Die Shearman-Partner haben offenbar eingesehen, dass die besten Pensionsansprüche der Welt nichts bedeuten, wenn sie nicht ausbezahlt werden können.

Shearman ist in vielerlei Hinsicht nicht mehr das Kraftpaket, das es einmal war. Es war bereits ein interner Machtkampf im Gange, bei dem Anwälte außerhalb des Hauptquartiers versuchten, die Kanzlei zu modernisieren und ihr Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit zu stoppen. Die einst stolze Wall-Street-Praxis hatte im Laufe der Jahre allmählich an Boden gegenüber der Konkurrenz verloren. In der angesehenen Prestige-Rangliste von Vault rutschte sie von Platz 8 Ende der 1990er-Jahre auf Platz 49 ab. Mit einem Umsatz pro Berufsträger von 1,15 Millionen Euro liegt sie in der AmLaw 100-Tabelle auf Platz 42. Der Gewinn pro Partner liegt bei 2,3 Millionen Euro (Platz 44), was ungefähr den Zahlen von Allen & Overy entspricht.

Das Ende des Shearman-Niedergangs?

Shearman unterhält jedoch nach wie vor außergewöhnlich enge institutionelle Beziehungen zu einer Reihe großer Wall-Street-Banken. Die weltweite Schlagkraft von Allen & Overy gibt Shearman nun die Möglichkeit, ihren früheren Glanz wiederzuerlangen. Doch die Zusammenführung einer stolzen und homogenen Wall-Street-Partnerschaft, für die jahrzehntelang New York der Nabel der Welt war, mit einem vielfältigen globalen Unternehmen wie Allen & Overy wird eine Herkulesaufgabe sein.

Und wie auf anderen Märkten (auch in Deutschland um die Jahrtausendwende) wird die bahnbrechende Kanzleifusion andere Akteure inspirieren oder erschrecken. Wie hoch sind nun die Wetten auf eine Fusion von Linklaters und Debevoise? Und stellen Sie sich nur die Szenen in München vor, wenn Freshfields und Milbank anfangen zu plaudern…

 

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