Über Jahre haben sich Rechteinhaber gegen Internetpiraterie prozessual gewehrt und Seiten wie ‚kinox.to‘ 2018 rechtlich sperren lassen. Parallel dazu versuchten Provider durch Prozesse eine eindeutigere Gesetzeslage zu erwirken. Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) hatte sich bereits mit der Thematik beschäftigt.
Die Parteien haben sich schließlich vor zwei Jahren zusammengetan, um an einer grundlegenden Lösung für das Problem zu arbeiten. Entstanden ist so die CUII: Durch diese Institution kann nun der Zugang zu sogenannten ‚strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten‘ außergerichtlich gesperrt werden. Voraussetzung ist, dass die gemeinsam eingerichtete unabhängige Clearingstelle dies empfiehlt und die Bundesnetzagentur (BNetzA) keine Bedenken gemäß der EU-Netzneutralitätsverordnung hat, so die CUII.
Erste Sperre bereits erfolgreich
Eine Sperrungsempfehlung durch die CUII kann nur bei Einstimmigkeit des dreiköpfigen Prüfausschusses erfolgen. Den Vorsitz der beiden Ausschüsse haben jeweils pensionierte Richter des Bundesgerichtshofes, die mit der Materie rechtlich und technisch vertraut sind. Des Weiteren sitzt in jedem Ausschuss ein Vertreter der Internetzugangsanbieter und ein Vertreter der Rechteinhaber.
Einen ersten Erfolg erzielte die CUII in Kooperation mit der BNetzA mit der Sperre gegen die strukturell urheberrechtsverletzende Webseite ‚S.to‘ sowie ‚SerienStream.sx‘ (jetzt ‚Serien.sx‘).
Mehr Rechtssicherheit
Das Verfahren gewährt den Internetzugangsanbietern durch die Beteiligung der BNetzA schlussendlich mehr Rechtssicherheit, unter welchen Voraussetzungen sie verpflichtet sind urheberrechtliche Netzsperren umzusetzen. Das könnte für Rechtsfrieden nach mehr als einem Jahrzehnt an Gerichtsstreitigkeiten zu diesem Thema sorgen. Auch der Europäische Gerichtshof hatte bereits im Jahr 2014 geurteilt, dass Sperren von Webseiten ein zulässiges Mittel sind, um Urheberrechtsverletzungen über Provider zu unterbinden.
Das europäische Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Rechteinhaber eine Anordnung gegen Internetzugangsanbieter beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Urheberrechtsverletzung genutzt werden. Ähnliche Modelle wie die CUII gibt es in anderen europäischen Ländern bereits.
Um wettbewerbsrechtliche Einwände von vornherein abwenden zu können, war auch das Bundeskartellamt involviert.
Berater Rechteinhaber
Nordemann Czychowski & Partner (Berlin): Prof. Dr. Jan Nordemann (Federführung), Dr. Julian Waiblinger, Dr. Stanislaus Jaworski (alle Urheber-/Medienrecht)
Berater Internetzugangsanbieter
Inhouse Recht (Bitkom; Berlin): Judith Steinbrecher (Leiterin Recht)
Berater Telekom
Inhouse Recht (Bonn): Andreas Göckel (Leiter Multimedia- und Internetrecht)
Berater Vodafone
Inhouse Recht (Düsseldorf): Johannes Becher (Legal Counsel)
Berater 1&1 Drillisch
Inhouse Recht (Maintal): Dr. Gerd Kiparski (Head of Legal and Privacy)
Berater Telefónica
Inhouse Recht (Hamburg): Leif Rohwedder (Senior Legal Counsel)
Berater Mobilcom Debitel/Freenet
Inhouse Recht (Hamburg): Dirk Seitz (Justiziar)
Berater Bundesverband Musikindustrie
Boehmert & Boehmert (Berlin): Dr. Martin Schaefer (Urheberrecht)
Inhouse Recht (Berlin): Willem Müller (General Counsel)
Berater Börsenverein des Deutschen Buchhandels
Inhouse Recht (Frankfurt): Prof. Dr. Christian Sprang (Leiter Rechtsabteilung)
Berater Deutsche Fußball Liga
Inhouse Recht (Frankfurt): Oliver Pribramsky (Leiter Rechtemanagement, Technologien und Archiv), Dr. Vito Esposito (Leiter Medienrecht & Regulatory Affairs)
Berater Game – Verband der deutschen Games-Branche
Inhouse Recht: Dr. Christian-Henner Hentsch (Leiter Politik & Recht)
Berater Sky Deutschland
Inhouse Recht (Berlin): Dr. Benjamin Lotz (Director Anti-Piracy), Sevim Göztas (Senior Counsel IP-Enforcement & Technology)
Berater Verband der Filmverleiher
Inhouse Recht: Katharina Hiersemenzel (Syndikusrechtsanwältin, SVP Public Policy; Constantin Film), Dr. Friedrich Radmann (Geschäftsführer Constantin Film Television)
Berater International Association of Scientific Technical and Medical Publishers
Inhouse Recht (Berlin): Katrin Stienemeier (Vice President Legal Affairs; SpringerNature)
Hintergrund: Der Berliner Rechtsanwalt Jan Nordemann, der als Berater für die Rechteinhaber und als Moderator an Bord war, bringt Erfahrung im Bereich Internetpiraterie mit: Mit seiner Kanzlei Nordemann Czychowski & Partner ist er seit langer Zeit unter anderem von der DFL und Nintendo mandatiert, um gegen Internetpiraterie vorzugehen. Darüber hinaus berät er großer US-Filmstudios im Vertragsrecht, beim Rechteeinkauf und bei Rechtsstreitigkeiten.
Die Internetzugangsanbieter setzten als Moderatorin auf die ehemalige Leiterin Recht bei Bitkom, Judith Steinbrecher. Die Bitkom beschäftigte sich als Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche ebenfalls schon seit einigen Jahren mit dem Thema Internetpiraterie. Mittlerweile hat Steinbrecher Bitkom verlassen. Ihre Aufgaben bei der CUII soll nun ihr Nachfolger Markus Scheufele übernehmen.
Alle beteiligten Rechtsabteilungen sowie die Moderatoren haben gemeinsam an diesem Projekt gearbeitet und die Clearingstelle konzipiert. Rechtsrat von außen hat einzig Telefónica hinzugezogen. Der Bundesverband der Musikindustrie hat sich im Hintergrund von seinem langjährig vertrauten Berater Schäfer, Partner bei Boehmert & Boehmert, punktuell beraten lassen.
Weitere an der Konzeption beteiligte Parteien war die Motion Picture Association sowie die Bundesnetzagentur. Die kartellrechtliche Beratung für die CUII hat der Berliner Rechtsanwalt Dr. Martin Schmidt von Comfield Legal übernommen.