Interview

CMS-Büro in Teheran trotz Iran-Sanktionen optimistisch

Nachdem die USA im Frühjahr den Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran angekündigt hatten, sind am Dienstag die ersten Sanktionen in Kraft getreten. JUVE sprach mit Shaghayegh Smousavi, Co-Leiterin des Iran-Büros von CMS Hasche Sigle, das erst 2016 eröffnet wurde, was dies für die deutsche Wirtschaft vor Ort und den CMS-Standort bedeutet.

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Shaghayegh Smousavi
Shaghayegh Smousavi

JUVE: Nach der Euphorie der vergangenen eineinhalb Jahre ziehen sich gerade zahlreiche europäische Unternehmen wie Adidas, Renault und Total aus dem Iran-Geschäft zurück. Wird CMS sein Büro in Teheran also wieder schließen?

Shaghayegh Smousavi: Wir sind im Iran sehr gut gestartet und beraten unsere Mandanten auch jetzt, in diesen schwierigen Zeiten, vor Ort. Jedoch beobachten auch wir die Lage weiterhin genau und halten uns alle Optionen offen. Dies ist auch das, was wir unseren Mandanten empfehlen. Was bislang feststeht, ist, dass die EU, Russland und China den einseitigen Rückzug der USA nicht mittragen und den Iran weiterhin als strategisch wichtigen wirtschaftlichen Partner sehen.

Wie viele deutsche Unternehmen sitzen denn schon auf gepackten Kisten?
Dass sich die deutsche Wirtschaft vor dem Hintergrund der US-Sanktionen aktuell massiv aus dem Iran zurückzieht, kann ich aus der Beratungspraxis vor Ort nicht bestätigen. Richtig ist allerdings, dass insbesondere große Dax-Unternehmen, die auch Geschäfte in den USA betreiben, ihr Engagement im Iran zurzeit auf Eis legen. Das bestimmt das Bild in der öffentlichen Wahrnehmung.

Der deutsche Mittelstand hingegen ist nicht in dem Maße von US-Sanktionen betroffen, da viele von ihnen in Branchen tätig sind, die nicht unter die Sanktionen fallen – etwa im Gesundheitssektor. In der aktuellen Berichterstattung wird häufig vergessen, dass es sich auch bei den US-Sanktionen nicht um ein Totalembargo handelt und in einigen Branchen durchaus Geschäfte erlaubt sind.

Aber waren nicht gerade die großen Konzerne der Motor bei der Entwicklung des Iran-Geschäfts der vergangenen Monate? Werden die Mittelständler nicht deren Beispiel folgen und sich ebenfalls zurückziehen?
Der Wiedereintritt der großen Konzerne war sicherlich medienwirksam und zeugt von dem großen Potenzial des Landes. Die iranische Wirtschaft ist jedoch mit seiner vorhandenen breiten industriellen Basis, auch abseits vom Öl- und Gasgeschäft, ein interessanter Markt für den Mittelstand. Nicht umsonst legt die EU nun den Fokus auf die kleineren und mittleren Unternehmen, um die wirtschaftlich Zusammenarbeit mit dem Iran zu stärken und den Wegfall der großen Konzerne für den Iran teils zu kompensieren.

Der Rückzug der großen Wettbewerber mit US-Geschäft eröffnet den mittelständischen Unternehmen auch faktisch zusätzliche Chancen. Seit Bekanntwerden der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump haben wir weiterhin deutsche Unternehmen bei ihrem Markteintritt in den Iran beraten. Das Land hat 80 Millionen Einwohner, verfügt über große Energiereserven und hat gleichzeitig einen hohen Modernisierungsbedarf. Das macht es für Deutschland zu einem perspektivisch sehr wichtigen Markt.

Zeitgleich mit den US-Sanktionen trat in der EU eine aktualisierte Blocking-Verordnung in Kraft. Damit sollen europäische Firmen, die Iran-Geschäft betreiben, vor Klagen der USA geschützt werden. Wie wirksam ist dieses Instrument vor dem Hintergrund, dass viele Banken die Finanzierung von Projekten im Iran ablehnen?
Das war ein wichtiger und rechtlich notwendiger Schritt zum Schutz der Unternehmen, insbesondere diejenigen, die keinen US-Bezug haben. Was vielfach nicht bekannt ist, ist die Tatsache, dass viele Unternehmen bereits vorher nicht in dem erhofften Maße im Iran tätig sein konnten, da sich viele Banken mit Blick auf die USA zurückhaltend zeigten. Die Einführung der US-Sanktionen hat die Lage noch verschärft. Es bleibt also abzuwarten, wie die Banken sich positionieren und ob der Finanzfluss zumindest auf dem bisher bestehenden, niedrigen Level erhalten bleibt. Aus meinen Gesprächen mit den politisch Verantwortlichen im Iran und der EU beziehungsweise Deutschland entnehme ich, dass es keine bloßen politischen Lippenbekenntnisse sind, sondern dass sowohl auf EU-Ebene als auch in einigen Mitgliedstaaten konkret daran gearbeitet wird, die entsprechende Infrastruktur zu gewährleisten. Die Umsetzung der entsprechenden Infrastruktur bedarf jedoch seiner Zeit. Es ist also noch zu früh, von einem Rückzug zu sprechen.

Außerdem tritt die eigentliche Phase der Sanktionen erst im November in Kraft. Dann sollen auch Schlüsselindustrien wie Öl und Gas auf die Sanktionsliste kommen. Aber sowohl US-Präsident Trump als auch der iranische Präsident Hassan Rohani haben in den letzten Tagen für viele Beobachter überraschend Gesprächsbereitschaft signalisiert. Es kann also noch ganz anders kommen.

Wie blickt das Teheraner CMS-Büro in die Zukunft?
Der iranische Markt ist vor dem Hintergrund der politischen Lage sicherlich herausfordernd. Wir müssen die US-Sanktionen aufgrund unseres US-Geschäfts und das unserer Mandanten sehr ernst nehmen und ständig analysieren, wie wir unser Iran-Geschäft und das Teheraner Büro fortführen können. Der Umstand jedoch, dass unser Iran-Geschäft in den letzten Jahren trotz der allgegenwärtigen politischen Spannungen stetig gewachsen ist, zeigt uns, dass eine lokale Präsenz beim Mandanten immer mehr gefragt ist. Ich persönlich sehe in der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Situation die Talsohle erreicht, sodass ich optimistisch bin und langfristig gutes Potenzial für uns sehe.

Das Gespräch führte Konstanze Richter.

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