JUVE: Für die Bundesregierung scheint in der Krise nichts ohne die KfW zu gehen. Das klingt nicht nach dem üblichen Business eines Rechtsbereichs.
Dr. Karsten Hardraht: Als Rechtsbereich sind wir aktuell noch mehr als sonst an allen Fronten gefragt – im Verhältnis zum Bund, zu den Durchleitungsbanken, den Kreditnehmern und zum Kapitalmarkt. Parallel gehen die coronabedingten Themen in der finanziellen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern los. Und die großen Konsortialfinanzierungen, die jeder aus der Presse kennt, erfordern viel Einsatz. Wir haben die große Verantwortung, den Unternehmen die Kredite so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig die finanziellen Risiken für den Bund, der uns gegen die Kreditausfallrisiken aus dem Sonderprogramm absichert, möglichst gering zu halten. Es geht ja um ein ungeheures Volumen. Stand heute sind bei der KfW schon Anträge über mehr als 47 Milliarden Euro an Krediten im Sonderprogramm gestellt worden.
Wann stand genau fest, was auf Sie und Ihre Kollegen zukommt?
Ich glaube, so richtig fest stand das zu keinem Zeitpunkt, sondern es hat sich kontinuierlich entwickelt – und tut es noch. So wie die Bundesregierung ist auch die KfW und sind wir im Rechtsbereich kontinuierlich auf Sicht gefahren und haben uns flexibel angepasst. Im März ging es vor allem darum, die Programme startklar zu bekommen und die damit zusammenhängenden Rechtsfragen zu klären, wozu unter anderem auch eine binnen zwei Tagen abgewickelte Notifizierung und Genehmigung in Brüssel sowie viele aufsichtsrechtliche Fragen gehörten. Dann gab es ab April eine Reihe von Programmergänzungen und -erweiterungen, zuletzt das Maßnahmenpaket für Start-ups. Parallel kamen die ersten Anträge für die großen Konsortialfinanzierungen ins Haus.
Wie hat sich die Rechtsabteilung dann organisiert?
In der Anfangsphase haben wir alles, was reinkam, wie Projekte betrachtet. Wir haben klare Verantwortlichkeiten für jedes Element und jeweils eine Gesamtkoordination bestimmt. Obwohl wir im Bereich eine große Transaktionsrechtsabteilung mit drei Teams haben und ein weiteres Transaktionsteam in einer anderen Abteilung existiert, war schnell klar, dass wir die komplexen Konsortialfinanzierungen auch bei maximaler Umallokation der eigenen Mannschaft nicht alleine schaffen würden. Wir haben daher sehr zügig entschieden, dass wir externe Unterstützung brauchen. Hilfreich war, dass wir auf bestehende Rahmenvereinbarungen zurückgreifen konnten.
Wie haben Sie die Kanzleien, mit denen Sie zusammenarbeiten, in dieses System eingebunden?
Normalerweise ist es bei Konsortialfinanzierungen ja so, dass der Kreditnehmer und das Konsortium je eine Kanzlei mandatieren, während die einzelnen Banken des Konsortiums ihre Interessen regelmäßig durch ihre Inhouse-Anwälte vertreten lassen. So machen wir das grundsätzlich auch. In der gegebenen Situation war uns aber schnell klar, dass wir die Anzahl unserer Transaktionsjuristen um mehr als 50 Prozent erhöhen müssten, um neben dem laufenden Geschäft auch alle eingehenden Anträge aus dem Sonderprogramm bewältigen zu können. Daher haben wir unsere Leute in eine stärker steuernde Rolle gebracht.
Was bedeutet das konkret?
Das heißt, unsere im Markt sehr anerkannten Inhouse-Anwälte setzen die Standards und steuern die von uns beauftragten externen Anwälte. Dadurch konnten wir die Anzahl der Transaktionen, die ein Inhouse-Anwalt gleichzeitig bearbeiten kann, erheblich erhöhen. Mit der Kanzlei haben wir eine innovative Kooperationsvereinbarung geschlossen, über die wir auf eine ausreichende Anzahl von Partnern und Associates zugreifen können, um auch bei extremen Belastungsspitzen die rechtliche Qualität gewährleisten zu können. Für den Fall eines Konflikts steht uns außerdem eine weitere Panelkanzlei über eine ähnliche Vereinbarung als Back-up zur Verfügung.
Was meinen Sie genau mit „innovativer Kooperationsvereinbarung“?
Wir haben unsere Strukturen in die uns begleitende Kanzlei gespiegelt. So stellen wir beispielsweise einen friktionsfreien Informationsfluss von der KfW in die Kanzlei und umgekehrt durch verschiedene Gesprächsformate sicher. Hierzu haben wir auf Managementebene Dailys, also tägliche Status Calls, mit der Kanzlei aufgesetzt, um strategische und organisatorische Themen zu transportieren und Eskalationsfälle zu klären. Gleichzeitig findet in ähnlichen Gesprächsformaten eine Abstimmung der KfW-Standards mit den Partnern der Kanzlei statt. So wird sichergestellt, dass die Kanzlei zu jedem Zeitpunkt in der Lage ist, die KfW-Interessen adäquat zu vertreten.
Sind technische Hilfsmittel Teil der Lösung?
Zur Steuerung nutzen wir intern eine Co-Working-Plattform. Diese synchronisieren wir fortlaufend mit dem System der Kanzlei. Gleichzeitig pflegt die Kanzlei ein Dashboard, auf dem die wichtigsten Informationen grafisch dargestellt werden. So haben wir jederzeit einen Gesamtüberblick und können bei detaillierten Fragestellungen auch umgehend auf die Transaktionsdetails zugreifen und das zuständige Team zu Spezialaspekten kontaktieren.
Der Technik zum Trotz: Die Notwendigkeit zu kommunizieren, dürfte dennoch deutlich gestiegen sein?
Richtig. Schnelle, fortlaufende und umfassende Kommunikation ist der einzige Weg, so eine Masse von Themen überhaupt bewältigen zu können. Wir haben im Rechtsbereich daher sofort Dailys eingeführt, um den schnellen Informationsfluss auch intern sicherzustellen und Querverbindungen zu identifizieren. Das Format hat uns auch geholfen, die coronabedingt sehr hohe Homeoffice-Quote zu handhaben. Die Dailys haben wir in Dauer, Taktung und Teilnehmerkreis kontinuierlich angepasst.
Was ist aus dem Tagesgeschäft geworden?
Zeitweilig waren 50 Prozent der Rechtsabteilung in die Arbeit am Sonderprogramm eingebunden. Die normale Arbeit läuft jedoch weiter und die Zahl der Rechtsfragen wird in so einer Krise auch nicht geringer – das Gegenteil ist der Fall. Hierfür arbeiten wir in geeigneten Fällen mit Kanzleien zusammen, die bei Bedarf Projekte aus dem normalen Geschäft wie eine verlängerte Werkbank übernehmen können. Zudem haben wir uns mit Secondees verstärkt. Den Löwenanteil übernehmen aber die nicht im Sonderprogramm gebundenen Kolleginnen und Kollegen. Ob Sonderprogramm oder Tagesgeschäft – es ist für die gesamte Mannschaft eine außerordentlich anspruchsvolle Zeit, die zum Teil viele Feierabende und Wochenenden kostet. Ich bin wirklich stolz darauf, dass hier alle so engagiert mitziehen, und auf das, was hier alle gemeinsam leisten.
Die Fragen stellte Martin Ströder.