Interview

„Kanzleien im Nahen Osten haben eine enorme Resilienz entwickelt“

Nach dem Überfall der Hamas auf Israel schaut die Welt gebannt auf den Nahen Osten. JUVE sprach mit Dr. Kilian Bälz, Partner der internationalen Kanzlei Amereller, die dort ihren Beratungsschwerpunkt hat. Was bewegt die Kanzlei, die europäische Konzerne und Familienunternehmen, internationale Organisationen und Regierungen berät?

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Kilian Bälz

JUVE: Bremst die aktuelle Eskalation das Transaktionsgeschäft im Nahen Osten?
Kilian Bälz: Das kann man so pauschal nicht sagen. Natürlich war der Angriff der Hamas auf Israel eine politische Zäsur – mit Auswirkungen, die kaum in Worte zu fassen sind. Aber wirtschaftlich sehe ich bei uns keine unmittelbaren Auswirkungen, jedenfalls derzeit.

Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges wurden ganze Anwaltsteams ausgeflogen aus Moskau oder Kiew und auf andere Standorte weltweit verteilt. Passiert so etwas nun auch in Israel?
Ich habe nichts dergleichen mitbekommen. Soweit ich weiß, arbeiten die israelischen Kanzleien alle weiter, sofern die Mitarbeitenden nicht eingezogen sind. Ebenso die Teams in Ramallah, also im Westjordanland. Auch unter extrem schwierigen Bedingungen zu arbeiten, ist typisch für die Region.

Ihre Büros sind außerhalb des Kampfgebietes.
Ja, das Büroleben in Kairo, Bagdad oder in den Vereinigten Emiraten geht normal weiter. Im Nahen Osten leben wir schon immer mit vielen schwelenden Konflikten. Nun gibt es eine gravierende Eskalation dieser Konflikte. Der Krieg in Nahost ist furchtbar. Für alle. Die Wirtschaft aber – und somit auch das Beratungsgeschäft – hat angesichts dieser ständigen Spannungen, die für viele zur Normalität geworden sind, eine enorme Resilienz herausgebildet.

Beraten Sie expansive Unternehmen aus dem arabischen Raum zu Investments in Europa?
Das kommt mal vor, aber das ist die Ausnahme. Wir sind eine der wenigen deutschen Kanzleien, die mehr als 95 Prozent ihres Umsatzes mit Transaktionen im Ausland erwirtschaftet. Mit Ausnahme unserer Disputes-Praxis, die auch Schiedsverfahren und Gerichtsverfahren in Deutschland führt, sind fast alle unsere Mandate Outbound-Investments von internationalen Unternehmen im Nahen Osten und Nordafrika.

Wer zählt zu Ihren Mandanten?
Wir beraten internationale Entwicklungsbanken wie etwa den IFC oder Proparco bei Projektfinanzierungen. Neben Telekommunikation und schienengebundener Infrastruktur ist insbesondere die Energiebranche zentral. Hier beraten wir etwa das österreichische Energieunternehmen OMV. Außerdem vertreten wir Mandanten in Schiedsverfahren mit Bezug zur MENA-Region und haben kürzlich etwa BASF in einem handelsrechtlichen Schiedsverfahren vertreten.

Die Länder, die Sie abdecken, sind sehr unterschiedlich.
Das ist richtig, aber ich glaube, dass gerade der Nahe Osten von den geopolitischen Verschiebungen des letzten Jahres profitiert hat. Energiepartnerschaften mit den Golfstaaten und Katar, der Oman mit dem grünen Wasserstoff, die Industrieansiedlungen in Ägypten, Tunesien und Marokko – das sind nur einige Beispiele.

Wie machen Sie die Region dem anwaltlichen Nachwuchs schmackhaft?
Wir haben alles, nur keinen Fachkräftemangel! Wir gehören zu den wenigen Kanzleien, die auch mit ausländischen Juristen arbeiten – das heißt, wir haben auch in unserem Büro in Berlin ein sehr diverses Team. Außerdem haben wir eine hohe Anziehungskraft für Anwälte, die einen arabischen Hintergrund oder sonst eine Beziehung zur Region haben.

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