Medienrecht. Die getrennte Aufsicht durch Landesmedienanstalten und Bundesnetzagentur könnte bald Vergangenheit sein. Jedenfalls, wenn es nach den Plänen des anerkannten Hogan Lovells-Partners Dr. Christoph Wagner geht. Gemeinsam mit Dr. Hans Hege von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg fordert Wagner in einem vom Gesprächskreis des Deutschen Digital Instituts angestoßenen Thesenpapier die Errichtung einer neuen Superbehörde. Diese soll gleichermaßen für den Rundfunk, das Internet und die Mobilkommunikation verantwortlich sein und nicht mehr zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk trennen.
Damit erntet er die Zustimmung der Privaten, stößt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern aber auf Kritik. Der Rechtsabteilungsleiter einer Rundfunkanstalt kritisiert die daraus resultierende Schwächung des öffentlich-rechtlichen Sektors: „Die Thesen sind absurd und sollen lediglich das Kartellrecht lockern, um endlich die Fusion zwischen Springer und ProSiebenSat.1 zu ermöglichen.“
Diesen Vorwurf muss Wagner sich zumindest insofern gefallen lassen, als dass er vor einigen Jahren die geplante Fusion für ProSiebenSat.1 begleitet hatte. „Dies ist aber nicht die Intention des Vorschlags“, wehrt sich der Medienanwalt. Vielmehr gehe es darum, der Konvergenz verschiedener Mediengattungen mit einem einheitlichen Kontrollgremium Rechnung zu tragen. „Eine sektorbezogene Marktabgrenzung ist nicht mehr zeitgemäß“, so Wagner. Er plädiert dafür, in größeren, medienübergreifenden Märkten zu denken und die Regulierung entsprechend zu lockern. Dass dann auch die Fusion von ProSiebenSat.1 mit Springer möglich wäre, wäre ein Nebeneffekt.
Telekommunikation im Blick. Nach der bisherigen Aufteilung sind die Landesmedienanstalten für Rundfunk und Telemedien und die Bundesnetzagentur für die Telekommunikation zuständig. Wagner findet das problematisch: „Wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten auf Bund- und Länderebene arbeiten die Behörden oft gegeneinander.“ Dies habe sich zuletzt bei der digitalen Dividende gezeigt, bei der nur Mobilfunkunternehmen Frequenzen ersteigerten, die primär die Absicherung ihrer Mobilfunkmärkte im Blick hätten. „Dies lässt keinen Raum für Innovationen. Hätten die Länder mehr Einfluss auf das Verfahren gehabt, wären auch offene Plattformbetreiber und Kabelnetzbetreiber zum Zuge gekommen“, so Wagner. Gewährleisten könne dies nur eine zentralisierte Behörde, die zugleich kartellrechtliche Funktionen übernähme.
Anderen Medienanwälten gehen Wagners Forderungen zu weit. „Zwar haben wir eine gewisse Zersplitterung, man sollte aber die föderalistischen Zuständigkeiten und die Strukturen zwischen Bund und Ländern nicht komplett aufbrechen“, meint Prof. Dr. Johannes Kreile von Noerr. Lediglich eine Vereinheitlichung von Rundfunk und Telemedien sei sinnvoll, nicht jedoch die Einbeziehung der Telekommunikation. „Infrastrukturfragen, die nur mit Technik und nicht mit Inhalten zu tun haben, sollten beim Bund verbleiben, dies hat sich in der Vergangenheit bewährt“, so Kreile.
Machtkämpfe. Wagner fordert eine weitere Gleichstellung: „Die Öffentlich-rechtlichen sollten genauso reguliert werden wie die Privaten und ihr Privileg auf Selbstregulierung verlieren.“ Wagner fordert die Abschaffung der Rundfunkräte und stößt bei Kreile erneut auf Kritik: „Ich halte das duale System einschließlich der darin organisierten Aufsichten für richtig.“ Ausnahmen gälten nur für die Aufsicht im Falle eines Verstoßes gegen Werbe- oder Jugendschutzbestimmungen, um so gleiche Wettbewerbsbedingungen im dualen System zu schaffen.
Eine Gefahr für die Informations- und Meinungsvielfalt sieht Wagner nicht: „Die digitale Welt ist vielfaltsfördernd, deshalb ist eine behördliche Herstellung jedenfalls derzeit nicht mehr nötig, auch nicht gesondert für den Rundfunk.“ Kreile stimmt zu, aber unter einer anderen Prämisse: „Nur solange das duale System besteht, haben wir Marktwirtschaft und die Vielfalt ist gesichert.“ (sg)
Übergeordnete Aufsicht
Positionspunkte des Deutsche Digital Institut zur Neuordnung der Medien
• Eine konvergente Aufsichtsstruktur soll gleichermaßen für den Rundfunk, das Internet und Telekommunikation verantwortlich sein.
• Dadurch sollen die hoheitlichen Aufgaben der Landesmedienanstalten (inhaltliche Überwachung, Lizenzvergabe) und der Bundesnetzagentur (Überwachung des Wettbewerbs) länderübergreifend vereinheitlicht werden.
• Mit einem Bund-Länder-Staatsvertrag ließe sich überwinden, dass Rundfunk Ländersache ist und die Zuständigkeit für Telekommunikation beim Bund liegt. Darin müssten den Ländern im Sinne eines „kooperativen Föderalismus” möglicherweise umfangreiche Rechte zugestanden werden.
• Im Gegensatz zur britischen unabhängigen Regulierungs- und Wettbewerbsbehörde Ofcom soll eine deutsche einheitliche Institution auch die Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten führen. An die Stelle der senderinternen Verwaltungs- und Rundfunkräte würde damit ein externes Kontrollgremium treten.