JUVE: Was würden Sie einem Mandanten raten, der befürchtet, ebenfalls auf den Listen zu stehen?
André Szesny: Offshore-Konten sind nicht verboten. Zunächst sollte der Mandant mir erklären, warum er die Offshore-Konstruktion gewählt hat. Wollte er Vermögensteile aus lauteren Gründen vor der Kenntnis Dritter, etwa gierigen Familienmitgliedern, verheimlichen und sich sonst rechtmäßig verhalten – insbesondere zum Beispiel Kapitalertragsteuer zahlen – bewegt er sich nicht im strafrechtlichen Bereich. Ich würde ihm angesichts der aktuellen nicht immer sachlichen Diskussion gleichwohl raten, vorsorglich alle relevanten Unterlagen zusammenzutragen, um für den Ernstfall einer Durchsuchung gerüstet zu sein.
Und wenn der Mandant keine Steuern abgeführt hat?
Dann kommt eine strafbefreiende Selbstanzeige in Betracht. Ich bin der Auffassung, dass diese trotz der nun vorliegenden Veröffentlichungen möglich bleibt – jedenfalls solange Behörden keine konkrete Kenntnis vom Namen des Mandanten haben. Die Tat ist dann nämlich noch nicht entdeckt.
Gilt das auch, wenn das Offshore-Konto genutzt wurde, um beispielsweise Geld zu waschen oder davon Schmiergelder zu zahlen?
Nein, das wäre nicht selbstanzeigefähig. Hier kommt es im Einzelfall darauf an, ob es sinnvoll sein kann, früh ein Geständnis abzulegen, um eine erwartbare Strafe zu mindern oder die Chance auf eine Einstellung gegen Auflagen zu eröffnen.
Halten Sie ein Transparenzregister für sinnvoll, wie es Justizminister Heiko Maas vorgeschlagen hat?
Ich bin da skeptisch: In einer freien Gesellschaft gehört der Schutz der Privatsphäre zu den absoluten Notwendigkeiten. Dazu gehört es auch, seine Vermögensverhältnisse gegenüber der Öffentlichkeit geheim halten zu dürfen. Wie weit man diese Privatsphäre einschränkt, ist eine grundsätzliche rechtsethische Entscheidung. Ein Transparenzregister führt in die gegensätzliche Richtung.
Aber fehlende Transparenz erhöht doch die Gefahr, dass die Privatsphäre zur Begehung von Straftaten genutzt wird.
Das ist – wie gesagt – eine Abwägungsfrage. Transparenz mindert Missbrauch, und intensive staatliche Überwachung hemmt Straftaten. Sie führt aber auch zu erheblichen Einschränkungen der persönlichen Freiheit in legalen Bereichen. Deshalb installieren wir ja auch nicht überall, etwa auch in Privatbereichen, Kameras.
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die von der EU-Geldwäscherichtlinie vorgeschriebene Einführung eines Firmenregisters?
Sie ist kein gutes Vorbild. Anhand eines solchen Registers sollen sich die tatsächlichen Eigentums- und Kontrollstrukturen von Unternehmen nachvollziehen lassen. Jeder, der ein „berechtigtes Interesse“ hat, soll erkennen können, welche natürlichen Personen hinter einzelnen Unternehmen stehen. Warum aber soll ein legal handelnder Gesellschafter einer GmbH seine Vermögensverhältnisse öffentlich machen? Es ist seine Privatsache, was er mit seinem Geld macht, solange er sich gesetzestreu verhält. Die bloße Möglichkeit des Missbrauchs rechtfertigt eine umfassende Big-Brother-Gesetzgebung nicht. Durch die Veröffentlichung im Firmenregister werden schließlich auch Begehrlichkeiten und unlautere Absichten bei Dritten geweckt werden. Dasselbe gilt auch für die jetzt diskutierten Offshore-Gesellschaften.
Die EU schränkt also die Privatsphäre bereits ein?
Ja, allerdings gilt die Geldwäscherichtlinie nur innerhalb der EU und nur für bestimmte Personengruppen – wenn ich auch den Begriff des ‚berechtigten Interesses‘ für zu unklar halte. Offshore-Gesellschaften außerhalb der EU trifft die Regelung jedenfalls in keinem Fall. Hierzu bedürfte es einheitlicher Transparenz-Regeln in der ganzen Welt.
Das Gespräch führte Jörn Poppelbaum.