Schilling Zutt zerbricht bei Fusion

Schilling, Zutt & Anschütz, eine der renommiertesten deutschen Praxen im Gesellschaftsrecht, fusioniert und zerfällt gleichzeitig in zwei Hälften. Die Mehrzahl der Partner am Mannheimer Stammsitz der Sozietät wird in diesen Tagen aller Voraussicht nach den Zusammenschluss mit der US-Kanzlei Shearman & Sterling bekannt geben. Acht weitere Partner unter Führung des Frankfurters Büros haben sich dagegen für einen Wechsel zu der britischen Konkurrenz Allen & Overy entschieden. Freie Wahl werden die 15-20 Schilling-Associates haben, die beiden aufnehmenden Kanzleien vorgestellt wurden.Erschüttert reagierten Beobachter auf die Nachricht von dem dramatischen Bruch, der sich durch die bisherige Sozietät zieht. An eine Fusion im klassischen Sinne, um die es sich der Form nach handelt, mag dabei kaum jemand glauben.

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Das künftige Shearman-Team umfasst neben Senior Dr. Klaus Anschütz die hochkarätigen Gesellschaftsrechtler Dr. Martin Winter, Dr. Heino Rück, Dr. Jochem Reichert und Dr. Thomas Liebscher sowie Dr. Georg Jaeger (Arbeitsrecht), Hans-Joachim Hellmann (Kartellrecht), Dr. Stephan Scherer und Rainer Wilke, der zuletzt im Dresdener Büro von Schilling tätig war. Noch nicht entschieden war bei Redaktionsschluss, wohin es Tilman Schilling zieht, der aber in jedem Fall weiterhin vom Mannheimer Standort aus tätig sein wird.

„Wir wollten einen Fusionspartner mit vorhandenem Corporate-Profil, und das hat eindeutig Shearman“, betont einer der zukünftigen Shearman-Partner. „Natürlich hätten wir auch weiter unsere erfolgreiche Stand-alone-Strategie verfolgen können, aber es hat einfach sehr gut gepasst. Außerdem kannten wir einander bereits aus der Mandatsarbeit, so dass die Entscheidung nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Bauch getroffen werden konnte.“

Auch die Liste der acht Partner, die zu Allen & Overy wechseln, wird angeführt von großen Namen im Gesellschaftsrecht: Dr. Arndt Overlack, seit 1978 Schilling-Partner und Leiter des Frankfurter Büros, der junge Shooting-Star im Gesellschaftsrecht, Dr. Hans-Christoph Ihrig sowie Dr. Wolfgang Witz. Mit ihnen verlassen ihre alte Sozietät Dr. Dieter Baas, Thomas Pschera, Dr. Carsten Salger, Dr. Anja Breitfeld und Dr. Michael Schlitt.

„Es wurde klar, dass unsere Mandanten zunehmend die Erfahrung und Ressourcen von Kanzleien nachfragen würden, die sowohl ein starkes deutsches Standbein als auch höchste internationale Kompetenz in einer integrierten Sozietät anbieten können“, kommentiert Schilling-Partner Overlack den Wechsel in einer Pressemitteilung.

Zu regeln bleibt für die Abgänger vor dem Wechsel die Auflösung ihrer bestehenden Verträge mit der alten Sozietät, die nach Darstellung eines Partners frühestens zum 1.4. nächsten Jahres kündbar sind: „Da wird es einiges zu verhandeln geben.“ Aufgrund dieser formalen Komplikationen wird erwartet, dass die Mehrzahl der Associates zumindest am Mannheimer Standort sich für einen Verbleib bei Schilling/Shearman entscheiden wird.

Trotz ihrer verhältnismäßig geringen Größe von zur Zeit etwa 35 Anwälten gilt Schilling Zutt als eine der Topkanzleien im Gesellschaftsrecht. Zu ihren Mandanten zählen Unternehmen wie Daimler-Chrysler, SAP, Heidelberger Zement, ABN Amro und DASA. Die Sozietät verfügt außerdem über kleine, hoch angesehene Abteilungen im Öffentlichen Recht, Arbeitsrecht und im Gewerblichen Rechtsschutz. Im letzten Jahr beriet man unter anderem den expandierenden Energiekonzern MVV bei der Börseneinführung.

Die Vorgeschichte der Fusion von Schilling und Shearman, die nun unter unerwartet dramatischen Vorzeichen erfolgt, begann mit einer Annäherung der Gesellschaftsrechtler beider Kanzleien in der gemeinsamen Arbeit am DaimlerChrysler-Deal. Der spontanen gegenseitigen Wertschätzung folgten Fusionsgespräche. Im Januar dann lag der Sozietät unvermittelt ein weiteres Angebot vor – von Allen & Overy. „Vielleicht waren wir ein wenig zögerlich“, kommentiert ein Schilling-Partner rückblickend die sich hinziehenden Verhandlungen mit Shearman. Seit Januar jedenfalls war auch Allen & Overy in medienträchtigen Fusionsgesprächen mit der Kanzlei, die jedoch ins Stocken gerieten. Daraufhin spaltete sich eine Gruppe ab, während der Rest weiter mit Shearman & Sterling verhandelte und die Gespräche nun offenkundig auch zum Abschluss bringen konnte.

Der Standort Mannheim soll dabei in jedem Fall bestehen bleiben. Das betont einer der künftigen Shearman-Partner und tritt Spekulationen entgegen, die Schilling-Partner würden geschlossen in das Frankfurter bzw. Düsseldorfer Shearman-Büro umziehen. „Der Kern der gesellschaftsrechtlichen Schilling-Praxis bleibt zusammen und wird die High-End-Tradition in Mannheim nicht nur fortsetzen, sondern dabei durch die Fusion mit Shearman noch zulegen. Die entstandenen Lücken werden schon jetzt gefüllt, und dann werden wir zügig erweitern.“ Immerhin hat die verbleibende Mannheimer Mannschaft einen wichtigen Mandantenmarkt und enge Kontakte in nächster Umgebung. Nach wie vor betreut werden neben DaimlerChrysler und DASA unter anderem Südzucker, MVV Energie, Mannheimer Versicherung und BASF.

Sowohl für Shearman & Sterling wie für Allen & Overy bedeuten die spektakulären Zugänge einen Riesenschritt in den deutschen Rechtsmarkt und werden von Beobachtern als großer Coup gewertet. Obwohl sich Shearman bereits einen Namen in den Bereichen M&A und IPO gemacht hat, war es ihr bisher ebenso wenig wie A&O gelungen, zum Kern des deutschen Gesellschaftsrechtsgeschäfts vorzudringen.

Das dürfte sich künftig ändern. Schilling Zutt verfügt über enge Verbindungen nicht nur zu Blue-Chip-Unternehmen, sondern vor allem auch in den namhaften Mittelstand, der allgemein als lukrativer Markt der Zukunft gilt. Zur Überraschung mancher Beobachter aus anderen Kanzeleien wird daher nicht nur Shearman, sondern wohl auch A&O ein Mannheimer Büro halten.

„Selbstverständlich ist Deutschland ein sehr wichtiger Teil unseres Netzwerkes, und eine erstklassige deutsche Kanzlei ist integraler Bestandteil unserer Dienstleistung“, unterstreicht Stephen Denyer, Managing-Partner für Europa bei Allen & Overy, die Bedeutung der Neuzugänge. Ähnlich äußert sich ein anderer A&O-Partner: „Wir sind sehr erfreut darüber. Zwischendurch hatten wir Zweifel, ob unsere Strategie die richtige ist, aber diese Entwicklung zeigt, dass man die richtigen Leute bekommen kann, wenn man nur geduldig und ausdauernd ist.“

Seit die Briten (300 Partner an 23 Standorten weltweit) vor zwei Jahren Quereinsteiger von Bruckhaus und Morgan, Lewis & Bockius in das seit 1994 bestehende Frankfurter Büro übernommen hatten, war es nach Einschätzung von Beobachtern stiller um den Corporate-Bereich der Kanzlei geworden. Nur zwei Partner waren dort bislang tätig, insgesamt stand etwa 20 deutschen eine ebenso große Anzahl britischer Anwälte gegenüber. Verschiedentlich wurde darüber spekuliert, ob die Sozietät sich entscheidend vergrößern und mit der Expansion auf dem deutschen Rechtsmarkt Schritt halten könne. Mit den Neuzugängen von Schilling wird die Anzahl deutscher Partner erstmals die der britischen übersteigen.

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