Wollburg und Kirchfeld waren jeweils rund 20 Jahre lang Partner bei Freshfields. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach für Linklaters ein Büro in Düsseldorf eröffnen.
Wollburg gilt als einer der am besten vernetzten Anwälte Deutschlands, mit Kontakten vor allem in die Industrie. In jüngerer Zeit war Wollburg etwa auf Seiten von ThyssenKrupp am Ringen mit Arcelor um den kanadischen Stahlbauer Dofasco beteiligt, überdies begleitete er jahrelang Degussa bei Zukäufen und der anschließenden Integration in den RAG-Konzern, dessen Aufsichtsrat er bei der Umstrukturierung zu Evonik beraten hat.
Kirchfeld war bislang neben Wollburg die wichtigste Stütze der Düsseldorfer M&A-Praxis. Zuletzt beriet er etwa Schwarz Pharma bei der Eingliederung in den belgischen Pharmahersteller UCB oder die Hypo Real Estate bei der Übernahme der Deutsche Pfandbriefbank Depfa.
Im Markt war schon seit längerem zu hören, dass Wollburg mit der Entwicklung bei Freshfields nicht mehr einverstanden war: Neben der klassischen industriellen Mandantschaft – dem Hauptbetätigungsfeld Wollburgs – zählt die Kanzlei mittlerweile einen ebenso starken Kreis von Finanzinvestoren zu ihrer Klientel. Dies birgt natürlich Potenzial für Interessenkonflikte. Linklaters verfügt dagegen über keine annähernd so starke Private-Equity-Gruppe wie Freshfields.
Welche Folgen der Wechsel von Wollburg und Kirchfeld für Freshfields, aber auch für Linklaters haben wird, ist bislang nur schwer absehbar. Freshfields wird die in der jüngsten Vergangenheit ohnehin geschrumpfte Gesellschaftsrechtspraxis im Düsseldorfer Büro neu aufstellen müssen: Im Mai hat bereits der hoch angesehene Konzernrechtler Christian Gehling – ein enger Vertrauter Wollburgs – die Kanzlei in Richtung Broich Bezzenberger verlassen, später heuerte Thomas Austmann nach seinem Ausscheiden bei Freshfields bei Allen & Overy an, um für die Briten ein Büro in Düsseldorf zu eröffnen.
Zudem hat Freshfields aus strategischen Gründen in der jüngeren Vergangenheit wichtige Partner wie Dr. Eberhard Seydel und auch Dr. Axel Epe aus Düsseldorf jedenfalls zeitweise abgezogen und nach München beordert. Sie sollten dort die Lücken füllen, die sich nach den Wechseln eines Teams zu Milbank vor drei Jahren sowie dem von Dr. Hans-Jörg Ziegenhain zu Hengeler Mueller im vergangenen Jahr aufgetan hatten. Jetzt steht aber wohl der Wiederaufbau in der nordrhein-westfälischen Hauptstadt genauso auf der Agenda wie in München.
Für Freshfields stellt sich zudem die Frage, wie man mittel- und langfristig gegen verhältnismäßig aggressiv agierende Kanzleien wie Linklaters bestehen will. Zwar ist Freshfields in Deutschland dem englischen Wettbewerber in fast allen Belangen noch voraus. Linklaters hat sich aber klarer und auch früher für eine Transaktionsfokussierung des Gesamtgeschäfts entschieden, während Freshfields sich trotz vehementer Restrukturierungsmaßnahmen weiterhin zu ihrer fachlichen Breite bekennt.
Folge: Linklaters ist es gelungen, die Profitabilität pro Partner – jedenfalls in London – auf zuletzt 1,91 Millionen Euro zu heben (Freshfields: 1,51 Millionen Euro). Sie rangiert damit als einzige britische Kanzlei in Sachen Profitabilität in der gleichen Liga wie die führenden US-Wettbewerber. Zudem setzt Linklaters weltweit mittlerweile mit 1,66 Milliarden Euro weit mehr um als Freshfields, die im vergangenen Geschäftsjahr auf 1,45 Milliarden Euro kam.
Allerdings dürfte der Zugang von Wollburg und Kirchfeld auch erhebliche Veränderungen bei Linklaters auslösen. Denn der deutlichen Stärkung ihrer aufstrebenden Corporate- und M&A-Praxen steht aller Voraussicht nach jetzt eine weitere, tiefgreifende Strukturdiskussion gegenüber. Wie im Markt zu hören ist, soll das Kölner Linklaters-Büro zugunsten des neuen Standorts in Düsseldorf stark beschnitten werden. Ein wesentlicher Teil der dortigen Corporate- und M&A-Praxis soll nach Düsseldorf übersiedeln. Dies wäre eine Zäsur in der Geschichte der Sozietät: Die ehemals in Deutschland als Linklaters Oppenhoff & Rädler agierende Kanzlei hat eine ihrer Keimzellen in dem Kölner Boden Oppenhoff & Schneider-Büro, zudem ist Köln mit über 100 Anwälten nach Frankfurt immer noch der zweitgrößte Standort der Kanzlei in Deutschland – jedenfalls bislang. Denn sehr fraglich ist, ob sich die Kanzlei langfristig zwei Standorte – und damit zwei Kostenfaktoren – im Rheinland leisten wird.
Außerdem ist bislang unklar, was die Zugänge für die Vergütungsstruktur von Linklaters bedeuten. Seit der Allianz bzw. Fusion mit Linklaters verfügen die deutschen Partner im Vergleich zu London nur über eine eingeschränkte Gewinnbeteiligung: So erhält ein hiesiger Equity-Partner auf demselben Lockstep-Niveau wie sein englischer Kollege im direkten Vergleich etwa das 0,8-fache. Es gilt als sicher, dass sich die neuen Partner nicht auf solche reduzierten Bezüge einlassen werden. Wahrscheinlich ist auch, dass mit dem Wechsel insgesamt eine Anpassung an das englische Gehaltsgefüge erfolgen wird.
Linklaters und Freshfields lehnten jede Stellungnahme gegenüber JUVE ab. (Jörn Poppelbaum)