„Umweltverbände sind sich ihrer Macht bewusst“

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  • JUVE

Dr. Wolf Spieth über den Gesetzesentwurf des Bundesumweltministeriums zum neuen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes

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Wolf Spieth ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer und berät regelmäßig Industrieunternehmen im Umwelt- und Planungsrecht
Wolf Spieth ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer und berät regelmäßig Industrieunternehmen im Umwelt- und Planungsrecht

JUVE: Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz soll nach dem ‚Trianel-Urteil‘ des Europäischen Gerichtshofs geändert werden. Aus Ihrer Sicht schießt das BMU aber über die Vorgaben des Urteils hinaus. Weshalb?

Dr. Wolf Spieth: Der EuGH hatte das Klagerecht der Umweltverbände nur für Umweltrechtsvorschriften bestätigt, die europarechtlichen Ursprung haben. Das BMU hat nun mit Rücksicht auf die völkerrechtliche Aarhus-Konvention den Vorschlag aufgegriffen, das Verbandsklagerecht zukünftig auf alle Umweltvorschriften zu erstrecken – ohne zwischen europäischem und nationalem Recht zu unterscheiden. Dies führt einerseits zu einer weiteren Stärkung der Verbandskläger, andererseits vermeidet diese Lösung zusätzliche Abgrenzungsprobleme und war daher so zu erwarten.

Wie verträgt sich die Stärkung der Verbände mit den Bestrebungen der Regierung, den Energienetzausbau zu beschleunigen?
Die Verzögerungsgefahr durch instrumentalisierte Verbandsklagen sieht auch das BMU, das der neuen starken Klageposition der Umweltverbände deshalb verschärfte Verfahrensregelungen gegenüberstellen will. Es soll damit eine Straffung verwaltungsgerichtlicher Verfahren erreicht werden, wie sie bereits unmittelbar nach der EuGH-Entscheidung als Gegengewicht zu den gestärkten Umweltverbänden empfohlen wurde. Ob die neuen Vorschriften das Verfahren tatsächlich beschleunigen, hängt davon ab, wie die Gerichte die Vorschriften in Zukunft auslegen. Der Gesetzesentwurf des BMU ist allerdings als ein deutlicher Appell des Gesetzgebers an die Gerichte zu verstehen.

Mit einer Klageflut sei ohnehin nicht zu rechnen, sagen die Verbände. Dazu fehlten Personal und Geld.
Diese Einschätzung teile ich nicht. Quantitativ mag das zwar stimmen. Das Klagerecht von gut organisierten Umweltverbänden ist bei der Genehmigung von Industrie- und Infrastrukturvorhaben aber inzwischen ein wichtiger Machtfaktor, dessen sich die Verbände auch bewusst sind. Das erweiterte Verbandsklagerecht erlaubt den Verbänden, stärker als früher gezielt Schlüsselverfahren anzugehen, denen die öffentliche Aufmerksamkeit gilt. Jeder Antragsteller ist gut beraten, die Anliegen von Umweltverbänden ernst zu nehmen und mit ihnen auf Augenhöhe umzugehen.

Haben außergerichtliche Einigungen zugenommen und was fordern Verbände konkret in solchen Verhandlungen?
Umfang und Inhalt solcher Verhandlungen sind in der Regel vertraulich. Sie spielen allerdings in der Genehmigungspraxis eine immer größere Rolle und das jetzt erweiterte Verbandsklagerecht verstärkt diesen Trend. Bedeutsam sind dabei vor allem Verhandlungen während des Genehmigungsverfahrens mit dem Ziel, eine gerichtliche Auseinandersetzung von vornherein zu vermeiden. Die Forderungen der Umweltverbände reichen dabei von Monitoring- und zusätzlichen Emissionsminderungsmaßnahmen über weitere naturschutzfachliche Kompensationen bis hin zu finanziellen Forderungen.

Das Interview führte Parissa Kerkhoff.

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