„Gute Erfahrungen mit Fokuszeiten“
Bernfried Rose ist Namenspartner der MDP-Kanzlei Rose & Partner mit fünf Standorten.
Ich arbeite seit zwölf Jahren nur an vier Tagen pro Woche. 2019 haben wir im Partnerkreis entschieden, das für alle zu ermöglichen. Unser Modell besteht aus einer verringerten Vollzeit, 36 Stunden für die angestellten Anwältinnen und Anwälte, 34 Stunden für andere Mitarbeitende. Die Gehälter wurden nicht anteilig gekürzt. Die meisten verteilen dies auf vier Tage, einigen sind kürzere Tage lieber und sie verteilen ihre Stunden auf fünf. Unsere Kanzlei ist natürlich an fünf Tagen erreichbar. Auch ich bin in wichtigen Fällen für Mandanten da und checke am freien Tag einmal morgens und nachmittags die E-Mails auf wirklich Dringendes. Das erwarten wir auch von den angestellten Anwälten.
Natürlich stößt jedes Modell an Grenzen. Wir möchten ambitionierte junge Anwälte nicht mit starren Vorgaben ausbremsen. Manche wollten gerne wieder etwas mehr arbeiten und mehr verdienen. Das ist bei uns über eine sogenannte Flexi-Partnerschaft mit Umsatzbeteiligung problemlos möglich. Dann entscheidet man frei, wann und wie viel man arbeiten möchte. Auch wer am Anfang der Laufbahn richtig Gas geben und vielleicht später den Einsatz zurückfahren möchte, kann das so einrichten. Eine starre Viertagewoche entspricht als Dauerlösung nicht dem Freiberufler-Selbstverständnis. Das selbstbestimmte Arbeiten ist für die Nachwuchsjuristinnen und -juristen der entscheidende Faktor.
Wichtig ist, dass die verringerte Arbeitszeit effizient und produktiv ausgefüllt wird. Wir haben Fokuszeiten eingeführt, zu denen man konzentriert arbeitet und weder intern noch von außen ansprechbar ist. Dem stehen Kommunikationszeiten gegenüber, um E-Mails zu bearbeiten, unseren internen Chat zu nutzen oder einfach mal bei Kollegen in der Tür zu stehen. Das ist auch wichtig.
„Die Fristen laufen weiter“
Anna Huttenlauch ist Gründungspartnerin der Berliner Boutique Blomstein.
Ich sehe das Thema als gesellschaftliche Debatte. So lange Mandanten und Behörden keine Viertagewoche haben, lässt sich das als Kanzlei nicht pauschal umsetzen. Fristen laufen weiter und werden auch mal auf Freitagabend gesetzt. Da müssen wir als Kanzlei immer ansprechbar sein. In M&A-Transaktionen kann jeder Tag bis zum Closing teuer sein. Bei Zwischenfinanzierungen oder Fusionskontrollen kann es absolut entscheidend sein, jeden Kalendertag auszuschöpfen.
Wir versuchen trotzdem, mit individuellen Lösungen so viel Flexibilität wie möglich zu schaffen. Das bringt einiges an organisatorischem Aufwand mit sich, aber wir sind absolut überzeugt, dass dies der Ansatz ist, der zu uns passt. Und es ist uns total wichtig, dass das nicht nur Theorie bleibt, sondern gelebte Praxis.
Viele unserer Associates arbeiten aktuell mit reduzierter Stundenzahl oder an vier Tagen. Sie können zudem – über die 30 Tage hinaus — mehr Urlaub nehmen. Längere Urlaubszeiten sind oft für das gesamte Team leichter planbar. Wir fragen die individuellen Vorstellungen jeweils für das kommende Jahr ab, und bislang konnten wir die Wünsche immer erfüllen. Manche wollen aber auch gerade am Anfang der beruflichen Laufbahn möglichst viel kennenlernen und alles mitnehmen an Erfahrung und Arbeitszeit.
Im Partnerschaftsvertrag steht, dass auch Partner längeren Urlaub machen können. Aber in den ersten sieben Jahren hat es keiner genutzt, weil wir uns darauf fokussiert haben, unsere Kanzlei aufzubauen und Strukturen zu schaffen. Nach und nach kommen Überlegungen zu längeren Urlauben oder zur Anpassung der Wochenarbeitszeit aber durchaus auch auf Partnerebene auf.
Der Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 06/2023 des JUVE Rechtsmarkt.