Kommentar

40-Stunden-Woche im Realitätscheck

Was für die meisten völlig normal ist, war für Großkanzleiverhältnisse 2017 ein geradezu verwegener Plan: Können Anwälte, die zuverlässig 40 Wochenstunden nicht überschreiten wollen, überhaupt sinnvoll bei Linklaters arbeiten? Viele bezweifelten das. Inzwischen zeigt sich: Es geht doch.

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Vor knapp drei Jahren verkündete Linklaters ein neues Arbeitszeitmodell – nicht als erste Einheit im Markt, aber als erste Top-Transaktionskanzlei: fester Feierabend, maximal 40 Wochenstunden, dafür ein Drittel weniger Gehalt. Zehn bis zwanzig Prozent der Associates in allen Praxisgruppen sollen auf dieser Basis arbeiten, voll integriert und ohne inhaltliche Abstriche. Partner wird man so nicht, aber wer will, kann auf den herkömmlichen Track wechseln. Soweit der Plan.

Top-Absolventen bewerben sich darauf nicht. Höchstens solche, die gute Noten mitbringen, nicht aber die richtige Persönlichkeit. Und wenn doch, schafft man ein Zweiklassensystem, das die Kanzleikultur unterminiert und einem irgendwann um die Ohren fliegt – von dem immensen Planungs- und Kostenaufwand ganz zu schweigen. Soweit die Kritiker.

Inzwischen zeigt sich: Das Modell funktioniert. Nicht nur, weil Linklaters mit ihrem Angebot viele Spitzenabsolventen ansprechen konnte, die sich sonst nie bei einer großen Wirtschaftskanzlei beworben hätten. Sondern auch, weil die Kanzlei Associates halten konnte, die sonst längst Referenten oder Richter geworden wären. Die Mandanten haben keine Einwände – schließlich kommt es auf Associate-Level weniger auf 24/7-Verfügbarkeit des Einzelnen an als auf funktionierende Teams. In der Tat setzt das mehr Organisationsarbeit voraus. Und doch lohnt sich die Alternative auch finanziell. Denn die Anwälte mit festem Feierabend arbeiten tendenziell effizienter und kostengünstiger. Damit verlieren die Gegner der 40-Stunden-Woche ihre zentralen Argumente.

Spannend ist nun, wann die nächsten Großkanzleien nachziehen. Bei Baker & McKenzie und McDermott Will & Emery gibt es ähnliche Modelle, doch andere internationale Einheiten tun sich bislang schwer. Was es braucht, ist wenig und viel zugleich: ein bisschen Flexibilität – und den Mut zu Lösungen, die das Selbstverständnis einer ganzen Branche auf den Kopf stellen.

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