Kommentar

TV-Übertragungen aus dem Gerichtssaal schaffen Transparenz

Autor/en
  • JUVE

Große Blende auf Prof. Dr. Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs. Eine Reporterstimme aus dem Off: „Jetzt setzt Mellinghoff zu einer bahnbrechenden Entscheidung zur Köperschaftsteuer an. Aus dem Hintergrund müsste man ihm jetzt eigentlich das Urteil anreichen. Mellinghoff räuspert sich und … ja, er wird jetzt sein Urteil sprechen.“

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Ganz so reißerisch wird es nicht werden, wenn in naher Zukunft das Gerichtsfernsehen über den heimatlichen Bildschirm flimmert. Stellen Sie sich eher eine feststehende Saalkamera mit angemessen-ehrfürchtiger Distanz zum Richtertisch und keine allzu rasanten Schnitte auf die Gerichtsschreiberin vor.

Übertragungen aus Gerichtssälen sind in Deutschland seit 1964 untersagt. Lediglich das Bundesverfassungsgericht ist eine Ausnahme: Seit 1998 werden hier Urteilsverkündungen übertragen. Bundesjustizminister Heiko Maas wollte den TV-Kameras nun die Türen zu allen fünf Bundesgerichten aufstoßen und Übertragungen ihrer Urteile erlauben. In den Verfahren selbst wird weiterhin Kameraverbot gelten.

Verbot aus der medialen Bronzezeit

Das Verbot stammt aus einer Zeit, als das Fernsehen noch Neuland war. Heute wird aus dem Gerichtssaal getwittert und periskopiert – auch wenn diese neumedialen Phänomene von Richtern vielerorts mindestens genauso ungern gesehen werden wie die TV-Kameras. Doch selbst mit entsprechenden Anordnungen lässt es sich nicht verhindern, dass spätestens in der „Halbzeitpause“ erste Einschätzungen zum Verfahrenshergang und Zitate von der Richterbank in die neuen Medien gepustet werden.

Die TV-Übertragung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts werden gegen das schnell drehende Sociall-Media-Rad ungefähr so aufregend sein wie Kamillentee trinken mit Oma für einen pubertierenden 16-Jährigen. Aber sie sind eine Chance, höchstrichterlichen Urteile in Gänze einer interessierten Öffentlichkeit nahezubringen.

Trotzdem regte sich in den Bundesgerichten Widerstand gegen die TV-Pläne des Ministers. Besonders BGH-Präsidentin Bettina Limperg wehrte sich. Ihr Gericht wäre mit jährlich mehr als 600 mündlich verkündeten Zivil- und rund 150 Strafurteilen am stärksten betroffen. Limperg sorgt sich um einen eventuellen Missbrauch der Bilder. Wenn ein Richter sich etwa verspricht, sei das ein gefundenes Fressen für Satireshows oder YouTube und gefährde das Ansehen der Justiz. Wegen dieser Bedenken hat Maas den Gesetzentwurf jetzt entschärft: Die TV-Kameras sollen nur mit dabei sein, wenn der Vorsitzende Richter sein OK gibt.

Hoffentlich sehen die meisten Richter künftig doch mehr die Chance und als die Bedrohung. Denn wer im Namen des Volkes Urteile spricht, sollte sich nicht davor fürchten, auch gehört zu werden. Selbst wenn er sich mal verhaspelt. Am Ende bekommt die deutsche Justiz gar ein menschliches Antlitz.

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