Interdisziplinäre Gesellschaften

Anwälte werten Gesetzespläne als Frontalangriff

Autor/en
  • Raphael Arnold

Anwalts- und Notarkammern haben massiven Widerstand gegen ein geplantes Gesetz angekündigt, das interdisziplinäre Gesellschaften zwischen freien Berufen und Gewerbetreibenden zulässt. Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), Dr. Rupert Wolff, sagte: „Falls das kommt, könnten wir als Kammer verbieten, dass Mitglieder solche interdisziplinären Gesellschaften eingehen.“

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Rupert Wolff
Rupert Wolff

Der Reformdialog Verwaltungsvereinfachung, ein Arbeitspapier des Bundeskanzleramts vom Juni 2015, geht von einem Zuwachs von 880 Millionen Euro oder 0,3 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt sowie 6.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen aus, wenn die Schranken für interdisziplinäre Gesellschaften zwischen freien Berufen und Gewerbetreibenden fallen.

Ende 2015 lieferte eine Arbeitsgruppe aus Justiz- und Wirtschaftsministerium erste Ergebnisse, wie eine Reform aussehen könnte. Diese fließen nun im Wirtschaftsministerium in die Vorarbeiten zu einem Bundesgesetz über Interdisziplinäre Gesellschaften (IGG) ein. Der Gesetzestext könnte nach Ministeriumsangaben bereits im Sommer stehen.

Zuletzt haben Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Wirtschaftskammer-Präsident Dr. Christoph Leitl auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Ende Jänner ihren Willen, die Gesetzespläne umzusetzen, nochmals untermauert. „Unternehmensberater und Steuerberater können einfach schneller und günstiger zusammenarbeiten in einer Gesellschaft“, sagte Rupert Haberson, Pressesprecher bei der Wirtschaftskammer (WKÖ).

Doch das überzeugt Kammerpräsident Wolff nicht. Und der 58-Jährige weiß alle Präsidenten der Anwaltskammern in den neun Bundesländern hinter sich. „Wir sehen nicht, wie es uns gelingen könnte, die Verschwiegenheit zu schützen“, so der Salzburger Jurist aus der Kanzlei Wolff Wolff & Wolff.

Auch Dr. Franz Mittendorfer von der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer hält das Vorhaben für unüberlegt: „Das ist ein Frontalangriff auf die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte“, sagte der Managing-Partner von SCWP Schindhelm.

Wolff und Mittendorfer befürchten, dass Versicherungen, Banken und Unternehmensberater in den Rechtsmarkt einsteigen. Das sei gefährlich für Mandanten, meint Wolff: „Wer will wirklich in einer sensiblen Agenda zu einem Anwalt gehen, der mit einer großen Bank verbandelt ist? Oder einer Versicherung?“

Emblem Bauanwalt der Bundesinnung BauBaumeister Bauanwalt
Emblem Bauanwalt der Bundesinnung BauBaumeister Bauanwalt

Anwälte sehen Qualitätseinbußen

Auch die Ausbildung der Juristen gelte es hoch zu halten: vierjähriges Studium, Konzipientenjahre, Prüfungen. Im klaren Gegensatz dazu stehen für Wolff Lehrangebote wie „Der Baumeister als Bauanwalt“, den die Bauakademie Oberösterreich im April zum zweiten Mal durchführt. Preis: 890 Euro. Wer den Lehrgang in Steyregg absolviert hat, darf fünf Jahre lang das Emblem Bauanwalt führen, das die Bundesinnung Bau innerhalb der WKÖ vor eineinhalb Jahren als Wort-Bild-Marke eintragen ließ.

Dr. Ludwig Bittner, Präsident der Österreichischen Notariatskammer, lehnt gesellschaftsrechtliche Konstrukte ebenfalls ab, wenn sie freie Berufe und Gewerbe verknüpfen: „Das schafft ungelöste Probleme im Disziplinarrecht, in der Pflicht zur Verschwiegenheit und in der Haftung“, so der Notar aus Hollabrunn. Und es werfe die Frage auf, zu welcher Kammer eine solche Kooperation gehört – zur WKÖ mit ihren gewerblichen Mitgliedern oder zu den Kammern der freien Berufe. Bittner wirft der WKÖ vor, schlicht ein neues Betätigungsfeld zu suchen. Zu Lasten der freien Berufe.

Freie Berufe außen vor

Interdisziplinäre Gesellschaften zwischen freien Berufen – etwa Rechtsanwälten und Steuerberatern, wie sie in Deutschland schon lange existieren – sind offenbar nicht Teil des Vorhabens. ÖRAK-Präsident Wolff sähe die Möglichkeit, dafür ein gangbares Modell zu finden. Doch Wolff meint, dass keine der Kammern, die in der Bundeskonferenz der freien Berufe Ärzte, Zahnärzte, Veterinäre, Apotheker, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftstreuhänder und Architekten vertritt, dies wolle. Sehr genau verfolgten Wolff und Mittendorfer deshalb im Jänner den Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts, durch den nun sogar Partnergesellschaften zwischen Ärzten, Apothekern und Rechtsanwälten möglich werden.

Reformdruck von europäischen Institutionen spielt für Wolff keine Rolle, wenn es darum geht, multidisziplinäre Gesellschaften einzuführen. Es seien lediglich zwei Verfahren beim Europäischen Gerichtshof anhängig, in denen es um Abrechnungsordnungen bei Architekten und Zivilingenieuren gehe. Die Vertretung der EU-Kommission in Wien hat nach eigenen Angaben keine Verfahren gegen Österreich auf dem Schirm, die berufsübergreifende gemeinsame Gesellschaften treffen.

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