Nach neun Jahren Verfahrensdauer und einer umfangreichen Beweisaufnahme fällte das OLG Hamm sein Urteil. Der peruanische Landwirt Saúl Luciano Lliuya hatte RWE als einen der größten CO₂-Emittenten Europas verklagt.
In seinen Augen ist der Energiekonzern aufgrund des Braunkohleabbaus mitverantwortlich für den globalen Klimawandel und das Abschmelzen der Gletscher in Peru. Um Schutzmaßnahmen für sein Haus in den Anden treffen zu können, hatte er insgesamt 17.000 Euro von RWE gefordert. RWE argumentierte dagegen: Eine solche zivilrechtliche ‚Klimahaftung ‘ ist nach deutschem Recht unzulässig.
Die OLG-Richter hatten sich intensiv mit der Thematik befasst: Sie hatten im Mai 2022 zusammen mit Sachverständigen eine mehrtägige Ortsbesichtigung in Peru durchgeführt und im März dieses Jahres Sachverständige angehört.
Forderungen gegen Einzelemittenten möglich
In der mündlichen Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende Richter, dass zwar grundsätzlich ein Anspruch nach Paragraf 1004 BGB gegen Verursacher von CO₂-Emissionen bestehen könne. Auch die große Entfernung zwischen den Kraftwerken des deutschen Energieerzeugers und dem Wohnort des Klägers sei kein Hindernis. In diesem Punkt widersprach das OLG der ersten Instanz, welche die Klage des Bauern abgewiesen hatte mit der Begründung, ein einzelnes Unternehmen könne für den globalen Klimawandel nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Dennoch wies das OLG die Berufung zurück (Az. 5 U 15/17). Die Wahrscheinlichkeit, dass Wasser aus einem Gletschersee das Haus des Klägers innerhalb der nächsten 30 Jahre erreiche, liege bei nur etwa einem Prozent. Dies sei zu gering für eine konkrete Gefahr. Auch die Folgen für das Haus des Klägers seien dann kaum relevant. Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision wurde nicht zugelassen.
Die Vertreter im Überblick
Vertreter Kläger
Günther (Hamburg): Dr. Roda Verheyen (Völker- und Umweltrecht); Clara Goldmann (Immobilienrecht), John Peters (Planungs- und Umweltrecht)
Vertreter RWE
Freshfields (Düsseldorf): Dr. Moritz Becker, Stefanie Spancken-Monz; Associate: Elena Engels (alle Konfliktlösung)
Posser Spieth Wolfers & Partners (Düsseldorf): Prof. Dr. Herbert Posser, Katja Schramm (beide Öffentliches Recht und Umweltrecht)
Mayer Brown (Düsseldorf): Jan-Henning Buschfeld (Konfliktlösung)
Oberlandesgericht Hamm
Dr. Rolf Meyer (Vorsitzende Richter)
Hintergrund: Die Klage gegen RWE war die erste gegen ein Unternehmen erhobene Klimahaftungsklage in Deutschland und Europa. Das Mandat für Verheyen, Partnerin der Hamburger Kanzlei Günther, kam zustande über einen Kontakt von Germanwatch, in Vorbereitung zur UN-Klimakonferenz in Lima 2014. Die Umweltorganisation Germanwatch hatte die Klage mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, die Stiftung Zukunftsfähigkeit hatte sich bereit erklärt, Gutachten- und Verfahrenskosten für die Klägerseite zu übernehmen.
Freshfields ist eine langjährige Beraterin von RWE und flankierte beispielsweise auch jüngst mit ihrer Finanzierungspraxis die Verhandlungen mit UniCredit und Commerzbank für eine 10 Milliarden Euro schwere Revolving Credit Facility (RCF) – deren Zinskalkulation die RWE und Banken wiederum an ESG-Kriterien geknüpft haben.
Die Vertretung im Grundsatzrechtsstreit zu privatrechtlichen Klimahaftungsfragen hingegen hat sich im Laufe des Verfahrens auf mehrere Kanzleien aufgeteilt : Neben der Konfliktlösungspraxis um Freshfields-Partner Becker kam auch die Boutique Posser Spieth Wolfers zum Einsatz. Diese hatte sich 2018 als Spin-off mit langjährigen Freshfields-Partnern aus dem Öffentlichen Recht gegründet.
Im Freshfields-Team ist Spancken-Monz zum Mai in die Partnerriege aufgestiegen. Sie war seit ihrem Berufseinstieg im April 2016 mit dem Streitfall befasst. Zu dem Team zählte lange auch Litigation-Experte Buschfeld, der im vergangenen Jahr zu Mayer Brown wechselte und von dort aus noch intensiv mitarbeitete.