JUVE: Hogan Lovells reorganisiert sich weltweit. Unter anderem hat sie sich schlankere Managementstrukturen verordnet. Was hat das bislang gebracht?
Burkhart Goebel: Im Vergleich zur früheren Doppelspitze sind die Entscheidungswege kürzer und klarer geworden. Wir haben den Kulturwandel mit ‚Project Redefine‘ rasch vorangetrieben, eine klare und authentische Markenbotschaft formuliert und die Marke im Vergleich zu unseren Wettbewerbern visuell und sprachlich hervorgehoben. Wir wollen „Marktführer bei der Mandantenzufriedenheit“ werden und haben dabei große Fortschritte gemacht.
Bei ‚Redefine‘ analysieren Sie die Strukturen und Geschäftsabläufe grundlegend. Welche Erkenntnisse haben Sie bislang gewonnen?
Erstens: Grenzen setzen wir uns im Kopf. Wenn wir neue Maßstäbe setzen wollen, müssen wir die Art und Weise, wie wir arbeiten, infrage stellen. Zweitens: Ideen gibt es viele, der Schlüssel liegt in der Umsetzung. Wir haben für ‚Project Redefine‘ von Anfang an eine Projektleitung mit professionellen Projektmanagern eingesetzt, kombiniert mit klaren Zuständigkeiten im International Management Committee. Der Erfolg gibt uns recht, bis Ende 2015 sind wir etwa in die kleine Gruppe der innovativsten Sozietäten in Europa und den USA aufgestiegen. Drittens: Das Wissen liegt im Unternehmen. Wir beschäftigen knapp 7.000 Mitarbeiter in 49 Büros in 25 Ländern. Die wissen am besten, was wir verbessern müssen, um weiter zu wachsen. Der offizielle Startschuss von ‚Redefine‘ war ein gemeinsames Brainstorming von 900 Partnern während der Partnerkonferenz 2014 in Toronto. Daraus entstanden 20 Kernprojekte. 2015 haben wir alle Mitarbeiter eingeladen, Ideen zu entwickeln, dabei sind weitere 2.000 Ideen herausgekommen.
Welche speziellen Herausforderungen muss die deutsche Praxis meistern?
Unsere deutsche Praxis ist eine tragende Säule der Sozietät – Ideengeber und Schrittmacher zugleich. Mit dem Projekt ‚One Germany‘ haben wir erreicht, dass die vier Büros von Hogan Lovells in Deutschland nach innen und außen als ein Team auftreten. Diese Stärke spiegelt sich auch in der Führung der Sozietät wider – 3 von 14 Mitgliedern im International Management Committee sind deutsche Partner, so viele wie in keiner anderen globalen Sozietät. ‚One Germany‘ ist die Grundlage für unser Produktangebot. Unsere Kernkompetenz liegt in der Lösung komplexer, häufig grenzüberschreitender Transaktionen und Prozesse im Team mit unseren Mandanten. Corporate Social Responsibility gehört zur DNA unserer Sozietät. Seit 2015 soll jeder Mitarbeiter von Hogan Lovells pro Jahr 25 Stunden seiner Arbeitszeit in den Dienst der Gesellschaft stellen. Ein Jahr später sind wir stolzer Gewinner des CSR Awards der deutschen Industrie in der Kategorie Mitarbeiterengagement.
2015 hat Hogan Lovells ihren Umsatz um 13 Prozent gesteigert. Ist ‚Redefine‘ der Grund dafür?
Mit Project Redefine haben wir jede Menge Energie freigesetzt, die sich im wirtschaftlichen Erfolg niederschlägt. Wir haben zahlreiche Arbeitsabläufe verbessert und die Effizienz gesteigert. Unser Kernprodukt, die gemeinsame Lösung hochkomplexer Transaktionen und Prozesse im Team mit unseren Mandanten, trifft punktgenau den Beratungsbedarf unserer Mandanten. Unser Industriegruppenfokus zahlt sich aus und natürlich unsere internationale Aufstellung. Wir sind führend in den Märkten vertreten, die für Investitionen nach Deutschland und für Investitionen aus Deutschland wichtig sind.
Ein Problemkind – jedenfalls im Marktvergleich – ist die deutsche Corporate-Praxis. Wie wollen Sie die zu höherwertigem Geschäft führen und damit näher an die Marktspitze heran?
Unsere globale Corporate-Praxis ist ein Motor der Sozietät und wird auch künftig unser Wachstum in Deutschland vorantreiben: In München zählen wir mit mehreren Partnern zu den führenden Kanzleien bei M&A, Venture Capital und Life Sciences. In Hamburg betreut das Team um unseren Partner Matthias Hirschmann zahlreiche M&A-Mandate aus dem Energiesektor. Mit dem Wechsel von Matthias Jaletzke in unser Frankfurter Büro haben wir ein Ausrufezeichen in den Markt gesetzt und uns bei Private Equity ebenfalls schlagartig verbessert. Zuletzt hat unsere Düsseldorfer Praxis mit dem Einstieg von Birgit Reese Anfang des Jahres ihre führende Stellung im Versicherungs-M&A-Markt weiter ausgebaut. Unsere Corporate-Praxis ist gut aufgestellt. Sie soll und wird weiter wachsen.
Im Juni sind Sie zwei Jahre im Amt des Managing-Partners für Kontinentaleuropa. Was haben Sie bisher erreicht?
Wir haben die Zusammenarbeit in Kontinentaleuropa stark verbessert. Die Office-Managing-Partner aller 14 Büros der Region sowie das Managementteam Kontinentaleuropa arbeiten als ein Team. Wir stimmen unsere Ziele im letzten Quartal eines Jahres ab und setzen sie anschließend um. Best Practices werden in der Gruppe vorgetragen und von den anderen Büros übernommen. Hogan Lovells Kontinentaleuropa wächst durch interne Partnerernennungen und Verstärkungen von außen. Wir haben Schlüsselpositionen in der Region mit erstklassigem Personal besetzen können. Grenzüberschreitende Transaktionen und Prozesse in Kontinentaleuropa sind in den vergangenen beiden Jahren am schnellsten gewachsen. Wir haben die Karrieremodelle vereinheitlicht. Wir haben unser Bekenntnis zu Corporate Social Responsibility europaweit in belastbare Fakten umgesetzt. All diese Maßnahmen liefern greifbare Ergebnisse: Unsere Mitarbeiterzufriedenheit ist ebenso auf einem historischen Höchststand wie unser wirtschaftliches Ergebnis.
Welche Ziele wollen Sie noch gemeinsam erreichen?
Wir wollen weiter wachsen – in Deutschland, Europa und weltweit. Wir investieren weiter in Legal Project Management. Damit werden wir noch bessere Lösungen für unsere Mandanten entwickeln. Wir haben ein globales Programm für zentrale Mandanten aufgelegt. Wir werden unsere Praxisgruppen Corporate und Regulatory verstärken. Ausbildung und Karrierewege werden weiter vereinheitlicht. Agile Working wird flächendeckend angeboten, und in den Bereichen Corporate Social Responsibility und Diversity erreichen wir unsere selbstgesetzten Ziele.
Ein Thema, das nicht nur Ihre britischen Kanzleikollegen beschäftigt, ist der Brexit. Welche Haltung hat Hogan Lovells dazu?
Im Verhältnis zu unseren Mitarbeitern nehmen wir als Sozietät eine neutrale Haltung zu der Frage, ob für oder gegen einen Brexit gestimmt werden soll. Wir sehen unsere Aufgabe darin, über die rechtlichen Folgen eines Brexit zu informieren und damit die politische und wirtschaftliche Debatte zu ergänzen.
Welche Folgen hätte der Brexit für eine Kanzlei wie Hogan Lovells mit einem starken Londoner Büro?
Kurzfristig würde der Beratungsbedarf in regulierten Industrien dramatisch steigen. Hier liegt unsere Kernkompetenz. Wir haben verschiedene Brexit-Szenarien aus rechtlicher Sicht analysiert und ein praxisgruppen- und länderübergreifendes Team aufgestellt. Langfristig bestünde das Risiko, dass London als globales Zentrum für internationale Rechtsberatung und als internationales Finanzzentrum an Bedeutung verlieren könnte.
Wie bereitet sich die Kanzlei auf diese Eventualität vor?
Wir haben eine Brexit-Arbeitsgruppe eingerichtet. Es gibt eine Vielzahl rechtlicher Implikationen: vom Datenschutz über die Niederlassungsfreiheit bis zu Wechselkursrisiken.
Das Gespräch führte Mathieu Klos.