Interview

„Die ersten Brexit-Klauseln sind längst verhandelt“

Bis der Brexit wirklich kommt, fließt noch viel Wasser die Themse hinunter. Doch nicht nur für M&A-Anwälte ist der nahende Abschied der Briten von der EU bereits ein alltäglicher Begleiter. Dr. Ulf Wauschkuhn, Leiter der deutschen Praxis für Vertriebsrecht bei Baker & McKenzie, erklärt im JUVE-Interview, warum der Brexit bereits heute alle angeht, die mit den Briten Handel treiben.

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Wauschkuhn_Ulf
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JUVE: Der Brexit ist beschlossen, aber noch nicht formal eingeleitet. Ist es müßig, sich als Unternehmen bereits mit möglichen Auswirkungen auf Lieferbeziehungen zu beschäftigen?
Wauschkuhn:
Keineswegs. Denn bei aller Unsicherheit ist eines klar: Wenn der Austrittsantrag kommt und man sich nicht innerhalb von zwei Jahren auf ein Modell der Zusammenarbeit einigt, hat Großbritannien mit einem Schlag den Status eines x-beliebigen Landes ohne Assoziierungsabkommen mit der EU.

Was würde das bedeuten?
Es müssten zum Beispiel Zölle gezahlt werden. Außerdem wäre der gegenseitige Marktzugang für Produkte nicht mehr selbstverständlich, wenn die Standards von Kinderspielzeug über Medizinprodukte bis zum Staubsauger auseinanderdriften. Auch Dual-Use-Güter könnten zum Problem werden: Produkte, die zivil und militärisch nutzbar sind, können innerhalb der EU problemlos gehandelt werden. Geht es über die Unionsgrenzen hinaus, gelten andere Regeln.

Trotzdem: Reicht es nicht, sich als Unternehmen damit zu beschäftigen, wenn es soweit ist?
Das wäre ein vermeidbares Risiko. Schließlich laufen Lieferbeziehungen oft sehr langfristig und in beide Richtungen. Ändern sich die Parameter, kann das ganze Geschäftsmodell in Frage gestellt werden. Es muss frühzeitig geklärt sein, wer etwa für Zölle aufkommt, falls die wirklich wieder fällig werden.

Wie macht man das am besten?
Neue Lieferverträge sollten eine Brexit-Klausel enthalten: Kommt der Brexit, gibt es ein Recht auf Vertragsanpassung oder Kündigung.

Gibt es das nicht sowieso?
Bedingt. Bei einem Vertrag nach deutschem Recht könnte man sich auf Paragraph 313 BGB berufen, der dieses Recht bei einer Störung der Geschäftsgrundlage einräumt. Bei Verträgen, die nach dem Votum abgeschlossen wurden, greift das aber nicht. Denn seit dem 23. Juni 2016 kennen eben alle Beteiligten das Risiko.

Also eine Klausel. Gibt es das in der Praxis bereits?
Ja, wir haben bereits wenige Wochen nach dem Brexit-Votum bei einem Vertrag zwischen zwei Maschinenbauern über gegenseitige Lieferungen eine Schutzklausel zu Zulassungen eingebaut. Das war spannend, denn es gibt für so etwas ja noch keine Standardklausel. 

Das Gespräch führte Marc Chmielewski.

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