Von den Wettbewerberinnen konnten sich zwei Kanzleien an der Spitze der JUVE Top 20 absetzen: Schönherr und Wolf Theiss halten mit Abstand die größten Teams vor, aus denen in einer breiten Palette an Rechtsgebieten sehr renommierte Anwältinnen und Anwälte stammen. Neu unter den marktbestimmenden Kanzleien sind KPMG Law – Buchberger Ettmayer und EY Law – Pelzmann Gall Größ.
Die Dominanz der beiden größten österreichischen Anwaltskanzleien geht auf unterschiedliche Schwerpunkte zurück. Doch in zentralen, transaktionsrelevanten Gebieten gehören beide zu den stärksten Einheiten: Für Schönherr und Wolf Theiss sind M&A, Bank- und Finanzrecht und Kapitalmarktrecht die Aushängeschilder unter den Praxen, Wolf Theiss arbeitete sich in den vergangenen Jahren im M&A wieder in eine Spitzenposition. Abseits dieser Felder verteilen sich die Spitzenpraxen bei beiden Großkanzleien breit auf verschiedene Rechtsgebiete. Schönherr ergänzt die marktführenden Transaktionsteams mit exzellenten Gruppen im Gesellschafts-und Kartellrecht sowie in der Sanierung und Restrukturierung. Wolf Theiss dagegen hält ein hervorragendes Team im Immobilien- und im Baurecht vor und gehört zu den prozessstarken Kanzleien in Wien. Eine Sonderstellung hat auch ihr Team im Vergaberecht, das stark auf digitalisierte Abläufe setzt.
Gemeinsam haben die beiden Kanzleien, dass sie ein Netzwerk mit jeweils über zehn Standorten in Zentral- und Osteuropa unterhalten. Ihre Strategie, im internationalen Beratungsgeschäft als Einheiten für die regionalen Jurisdiktionen aufzutreten, trieben beide in den vergangenen Jahren voran.
Dass diese Strategie funktioniert, zeigte sich 2023 im Transaktionsgeschäft. An der Anzahl an Deals gemessen nahmen Schönherr und Wolf Theiss die beiden Spitzenplätze im M&A-Ranking für Zentral- und Osteuropa ein; das ergibt sich aus der Aufstellung von Mergermarket. Beide Kanzleien berieten in den dortigen Ländern zu mehr Transaktionen als 2022. Auch bei der Anzahl der Deals in Österreich stehen die beiden mit Abstand an der Spitze.
Polen haben sowohl Wolf Theiss als auch Schönherr als einen der wichtigsten Märkte in CEE in den Blick genommen. Beide holten sich in dem wettbewerbsintensiven Markt zuletzt große Transaktionsteams ins Haus: Wolf Theiss eine Gruppe von 22 Juristinnen und Juristen von der Kanzlei Wardynski & Partners, Schönherr ein 23-köpfiges Team von der multidisziplinären Einheit SSW Pragmatic Solutions in Warschau.
Big-Four-Kanzleien auf dem Vormarsch
Neu unter den marktprägenden Kanzleien sind EY Law – Pelzmann Gall Größ und KPMG Law – Buchberger Ettmayer. Letztere entwickelte sich in ihren zentralen finanz- und M&A-rechtlichen Arbeitsbereichen sehr stark und stellte zuletzt mit der Ernennung von Stephanie Sauer zur Corporate- Partnerin die Weichen auf weiteres Wachstum. Im Gesellschaftsrecht etwa zeigt sich, dass die Kooperation mit den Advisory- und Steuerberatern aus den Big-Four-Einheiten einen großen Vorteil bietet: den frühen Kontakt zu Mandanten, der laufend kleinere Aufträge nach sich ziehen kann und oft schon weit im Vorfeld von Transaktionen ansetzt.
EY Law machte vor allem mit ihren Praxen im Gesellschaftsrecht und M&A, im Immobilienwirtschaftsrecht und im Öffentlichen Recht Fortschritte. Im Immobilienbereich ist sie als Beraterin bei Stadtentwicklungsprojekten gefragt, oft im Schulterschluss mit dem Planungs- und Vergaberecht, und auch bei Transaktionen sichtbar. Damit erwies es sich als Erfolg, dass sie Dr. Julia Karl 2021 zur Equity-Partnerin ernannte.
Aus den JUVE Top 20 verabschieden mussten sich dagegen die beiden Kanzleien Graf Isola und Vavrovsky Heine Marth (VHM). Graf Isola blieb in den Rankings stabil, doch EY Law und KPMG Law zogen in der Gesamtschau an ihr vorbei. Anders VHM: Die Kanzlei durchläuft gerade einen Umbruch, nachdem der Versicherungsrechtler Philipp Strasser sein Team Anfang 2022 in die neue Einheit Strasser Haindl Meyer abspaltete; zudem zog sich Mitte 2023 der Seniorpartner Dr. Karl Vavrovsky in Salzburg aus der Anwaltei zurück. Das schlug sich auch in den Rankings nieder, etwa in der Konfliktlösung. Inzwischen erweiterte die Kanzlei den Partnerkreis um Maria Grabner und Lukas Lanzerstorfer im Immobilienrecht. Die Konfliktlösungsspezialistin Nina Sterzl geht als Partnerin an den Standort Salzburg.
Im Top-20-Ranking nach oben gerückt ist unter anderem der Wiener Standort der internationalen Großkanzlei Baker McKenzie. Dazu trug erheblich die IP-/IT-Praxis um den Equity-Partner Dr. Lukas Feiler bei, dessen Team im Rechtsgebiet IT und Datenschutz inzwischen zu den Spitzenberatern zählt. Auch im Schiedsrecht gelang es, in Handels- und Investitionsstreitigkeiten für internationale Mandanten an Präsenz zu gewinnen. Als eine Stellschraube erwies sich, dass Wien kanzleiintern inzwischen zum Verbund ‚EMEA+‘ gehört, was die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg fördert.
Ganz anders lief die Entwicklung bei DSC Doralt Seist Csoklich. Sie machte als eigenständige Kanzlei mit einem exzellenten Ruf vor allem in den Gebieten M&A, Bank- und Finanzrecht sowie Konfliktlösung einen großen Schritt nach vorn. In der Prozessführung erschloss sie sich mit der Vertretung von Glücksspielanbietern ein neues Feld. Zudem ernannte sie den Vergaberechtler Dr. Dominik Zimm zum Equity-Partner, der unter anderem auf die Gesundheitsbranche spezialisiert ist.
Daran zeigt sich aber auch: Regulierung und Konfliktlösung erwiesen sich in den vergangenen beiden Jahren als Wachstumsfelder. Etwa bei der oberösterreichischen Traditionskanzlei SCWP Schindhelm, die den Leiter ihrer Konfliktlösungspraxis, Markus Fellner, im Herbst 2023 zum Equity-Partner ernannte – gemeinsam mit vier weiteren Partnern und einer Partnerin. Damit verjüngte die Einheit die Riege ihrer geschäftsführenden Gesellschafter um knapp acht Jahre und rüstet sich für die Zukunft.
Die Beratung zu Regulierungsfragen erlebt schon seit Monaten eine Hochkonjunktur. Denn die verschärften Compliance-Vorgaben in Bereichen wie Lieferketten, ESG und Sanktionen stellen viele Unternehmen vor neue Fragen, und der Umbau der Energiewirtschaft sorgt für jede Menge Projektgeschäft.
Insolvenzwelle rollt an
Nach Jahren der coronabedingten Ebbe zeichnete sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 ein Anstieg der Insolvenzen ab und die Höhe der Außenstände legte deutlich zu. Dass Ende des Jahres die Signa Holding in ein Sanierungsverfahren ging und eine stattliche Zahl österreichischer, deutscher und Schweizer Gesellschaften mit in den Strudel zog, war da noch nicht absehbar. Inzwischen ist klar: Insolvenz- und Sanierungsexperten stehen vor der größten Pleite in der Wirtschaftsgeschichte der Republik. Deren Bugwelle wird auch in angrenzenden Rechtsgebieten für Mandate sorgen, wenn Notverkäufe anstehen oder Bauprojekte neue Finanzmittel benötigen.