Interview

„Associates suchen sich bei uns die Arbeit selbstständig“

Was bedeuten wirtschaftlich schwierigere Zeiten für die Kanzleikultur, wenn Associates und Bewerber bisher nur Boomjahre kennen? Ein Interview mit Burc Hesse, Office-Managing-Partner Deutschland bei Latham & Watkins.

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Burc Hesse

JUVE: Das Jahr 2023 ist geprägt von vielen Unsicherheiten, vor allem auch wirtschaftlich. Wie ist die Stimmung aktuell bei Ihnen in der Kanzlei?
Burc Hesse: Die ist gut. Obwohl sich die Märkte abgekühlt haben, konnten wir das Geschäftsjahr 2022 in Deutschland erfolgreich abschließen. Gerade haben wir eine Zwischenbilanz gezogen, wo wir für das aktuelle Jahr stehen – und danach sieht es sehr gut aus, wenn auch nicht außergewöhnlich gut wie im Rekordjahr 2021. Transparenz ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema für uns. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden regelmäßig über wichtige Kennzahlen rund um Umsatz, Produktivität und Auslastung informiert.

Nehmen Sie bei den Associates eine Unsicherheit wahr?
Niemand hat Existenzängste. Aber natürlich ist es so, dass die aktuelle Associate- und Counsel-Generation mit sieben oder acht Berufsjahren bisher nur Hochkonjunktur erlebt hat. Wer schon 20 Jahre im Markt ist, hat eine vergleichbare Phase schon mindestens dreimal erlebt. Wenn man eine Perspektive für zwölf Monate oder länger hat, wird man nicht gleich nervös, wenn Auslastungen schwanken. Diese Erfahrung versuchen wir der jüngeren Generation zu vermitteln. Wenn es zwischendurch mal etwas ruhiger ist, sollen Associates auch mal das Positive daran nutzen und zum Beispiel eine Woche länger in den Urlaub fahren oder den lang ersehnten Bootsführerschein machen.

Greifen Sie gerade häufiger als sonst ins Auslastungsmanagement ein?
Wir schauen uns laufend die Auslastung an – auf individueller Ebene sowie von Büros und Praxisgruppen. Das Ziel ist, Belastungsspitzen abzubauen oder in ruhigeren Zeiten einen Ausgleich zu schaffen. Zudem suchen sich Associates bei uns selbstständig Arbeit. Sollten sie aber längere Zeit zu wenig ausgelastet sein, wollen wir unterstützen. Schließlich arbeiten wir am Ende auch nach einem Bonussystem, da wollen wir möglichst niemanden unnötig ins Leere laufen lassen. In Rekordjahren wie 2021 haben wir uns sicherlich intensiver mit dem Thema Auslastung beschäftigt.

In den USA wurden zuletzt Entlassungen von Associates bekannt. Wie wirkt sich das für Latham als US-Kanzlei in Deutschland aus?
Grundsätzlich sind wir keine ‚Hire & Fire Firm‘. Diese atmende Personalstruktur ist in den USA durchaus üblich, nicht nur in Kanzleien. Bei Investmentbankern beispielsweise ist ein Kommen und Gehen ganz normal. Als Kanzlei in Deutschland planen wir unsere Personaldecke langfristig und nachhaltig, da hängen wir nicht an den Zyklen der Wirtschaft. Kurzfristige Entlassungen auf breiter Front würden uns langfristig schaden, wirtschaftlich, aber vor allem auch kulturell.

Verändert sich Ihre Einstellungspraxis?
Als gut gemanagtes Unternehmen stellen wir uns laufend die Frage, in welchen Bereichen wir wachsen wollen. Wir erhalten weiterhin sehr gute Bewerbungen in allen Bereichen und einen Top-Kandidaten bzw. eine Top-Kandidatin würden wir niemals wegschicken. Gleichzeitig bemerken wir bereits seit einigen Jahren, dass der Bewerbermarkt selbstbewusster wird und andere Schwerpunkte setzt. Früher wurde als erstes nach der Karriere und dem Zeitpunkt der eigenen Partnerernennung gefragt, heute stehen Ausbildungsthemen und Work-Life-Balance im Mittelpunkt von Bewerbungsgesprächen. Als Kanzlei wollen wir den jungen Anwältinnen und Anwälten auch unter diesen Vorzeichen die besten Möglichkeiten bieten.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 11/2023 des JUVE Rechtsmarkt.

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