„Wir beraten unsere Mandanten zum Thema Compliance und Risikomanagement. Wir zeigen ihnen, wie man damit umgeht“, sagt Dr. Andreas Pohlmann, Namenspartner von Pohlmann & Company. „Aber mit ihren eigenen Anforderungen an Compliance und Risikomanagement stehen die Kanzleien häufig blank da.“
Dass viele Kanzleien selbst blank dastehen, sehen naturgemäß nicht alle so – zumindest offiziell. Dabei wird das „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“, wie es offiziell heißt, kommen – auch wenn Corona es erst einmal in den Hintergrund gerückt hat. Und es wird für Kanzleien genauso gelten wie für jedes andere Unternehmen auch. Allerdings müssen Kanzleien mit einem speziellen Widerspruch leben: Der Anspruch von Anwälten, einen freien Beruf auszuüben, passt nicht zur Notwendigkeit, sich aus Compliance-Gründen doch gegenseitig irgendwie kontrollieren zu müssen.
Aber was wäre, wenn morgen der Staatsanwalt am Empfangstresen steht und konkret wissen will, wie es mit der kanzleiinternen Compliance bestellt ist? Wahrscheinlich würde sich die Behörde an der Norm ISO 19600 orientieren, die seit 2016 in deutscher Fassung als DIN-ISO-Norm vorliegt. Danach muss ein Unternehmen nachweisen, dass es sein bestehendes Risiko analysiert hat und dass es ein Compliance-Management-System gibt mit entsprechenden Richtlinien. Dazu gehört ein Schulungskonzept genauso wie eine Geschäftspartnerprüfung, entsprechende Kommunikation über die Ebenen hinweg, ein Vier-Augen-Prinzip, Whistleblower-Hotlines – und eine Kontrolle, ob das Ganze eingehalten wird.
So schematisch wie es die DIN-Norm angeht, verstehen Kanzleien für sich selbst das Thema jedenfalls nicht. Das heißt im Umkehrschluss zwar nicht, dass sie Compliance ignorieren. Allerdings stehen in ihrem Fokus meist andere Aspekte, denn als Unternehmen wie jedes andere sehen sich die wenigsten.
Viele Berater kehren ungern vor der eigenen Tür
Dass Anwälte regelkonform beraten müssen, erklärt sich von selbst. Immerhin bleiben sie ein Organ der Rechtspflege, auch wenn das bei aller Gewinnorientierung mitunter hintansteht. Zu den selbstverständlichen Compliance-Anforderungen zählen schon aus berufsrechtlichen Gründen Konflikt-Checks, hinzu kommen etwa Vorschriften zu Geldwäscheprävention, Datenschutz und eine Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen.
Aber was im Einzelfall regelkonformer Beratung entspricht und was nicht, ist mitunter nicht so leicht zu beantworten. Das wurde auch dem Letzten spätestens im vergangenen November klar, als der langjährige Steuerchef von Freshfields Bruckhaus Deringer, Dr. Ulf Johannemann, in Untersuchungshaft wanderte – wegen seiner Beratung in Sachen Cum-Ex.
Dabei segeln Anwälte mit ihrer Beratung nicht nur im Steuerrecht mitunter hart am Wind. Die Verlockung kann groß sein: Je höher die Umsatzerwartung und -verantwortung, desto schneller erliegt mancher der Versuchung, Zweifel wegzubügeln und ein lukratives, aber unter Umständen haftungsträchtiges Mandat anzunehmen.
Hybride Kriegsführung
Compliant zu agieren, kann im einzelnen Mandat diffizil werden. Mitunter, so erzählen Anwälte, spielt sich die Rechtsberatung auf einer größeren, auch politischen Bühne ab. Da kommt es vor, dass sich einzelne Teilnehmer in hybrider Kriegsführung üben. „Es werden etwa vertrauliche Unterlagen heimlich kopiert und der Presse zugespielt, Bescheide geleakt oder die Ergebnisse vertraulicher Gespräche sofort öffentlich gemacht“, berichtet Dr. Benno Schwarz von Gibson Dunn & Crutcher. „Hier ist man mit dem strikten Korsett, das einem standesrechtliches Verhalten auferlegt, oft nur der zweite Sieger im Kampf um die Meinungshoheit. Das muss man aber in dem Moment still ertragen, in der Hoffnung, am Ende doch Recht zu behalten.“ (Eva Flick)