Die Unabhängigkeit von staatlichen Stellen ist für Kanzleien ein hohes Gut. Sie ist auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von ausländischen Kanzleien in Deutschland relevant. Es kommt nicht darauf an, „ob eine Vereinbarung mit der Trump-Regierung aus Sicht der USA berufsrechtlich zulässig ist“, sagt Professor Dr. Christian Wolf von der Universität Hannover. Wenn die Vereinbarungen nahelegen, dass die Unabhängigkeit der Kanzleien in Deutschland nicht mehr sichergestellt ist, dann können sie nicht berufsrechtskonform in Deutschland tätig sein, meint Wolf.
Über die Vereinbarungen, die unter anderem Paul Weiss Rifkind Wharton & Garrison, Skadden Arps Slate Meagher & Flom, Milbank, Willkie Farr & Gallagher, Kirkland & Ellis, Latham & Watkins sowie A&O Shearman unterzeichnet haben, ist nicht viel bekannt. US-Medien haben einige Details veröffentlicht, die die deutschen Kammern prüfen müssten, sagen einige Berufsrechtler, mit denen JUVE gesprochen hat.
Wie weit gehen die Vereinbarungen?
In Berichten zu den Deals heißt es etwa, dass die Kanzleien einem Monitor zugestimmt hätten, der zukünftig prüft, ob das Recruiting der Kanzleien im Einklang mit dem öffentlichen Interesse der Trump-Regierung steht. Damit gewähren die Kanzleien weitreichende Zugriffsrechte auf organisationsinterne Informationen. Es ist naheliegend, dass darunter auch die berufliche Unabhängigkeit der deutschen Praxis leidet. „Ein Outside Monitor hätte nach meiner Erfahrung aus den DOJ-Monitorships weitreichende Zugangs- und Informationsrechte“, sagt der Compliance-Experte Dr. Andreas Pohlmann, der selbst zwei Mal Monitor war. Aus bisherigen Monitorships ließe sich vermuten, dass die betroffenen Kanzleien zur umfassenden Mitwirkung und Offenlegung verpflichtet wären und der Monitor seine Erkenntnisse an die US-Verwaltung berichtet.
In den Vereinbarungen geht es außerdem um Pro-Bono-Dienste und darum, dass sich Trump auf diese Weise kostenlose Beratung gesichert habe. Dem widersprechen die Kanzleien in internen Rundmails jedenfalls teilweise. Presseberichten zufolge sei man keine Verpflichtung eingegangen, nur bestimmte Pro-Bono-Mandate anzunehmen. Man sei auch bei der Wahl der Pro-Bono-Mandate nicht beschränkt.
Sollten die Vereinbarungen, die Karoline Leavitt, Pressesprecherin des Weißen Hauses, laut der New York Times als „fully binding“ beschreibt, nahelegen, dass Trump über Mandatsannahmen mitentscheidet, dann wäre das kaum mit dem deutschen Berufsrecht vereinbar. Die Sorge in den Kanzleien, dass die Deals gar keine Deals sind, macht dem Zeitungsartikel zufolge bereits die Runde. Am Ende könnte Trump sie auffordern, für ihn persönlich zu arbeiten, wie er auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social mitgeteilt hat.
Große Bedenken – Kammern sollte das interessieren
Markus Hartung, ausgewiesener Berufsrechtskenner und Mitglied des Berufsrechtsausschusses beim DAV, sieht die Kammern durchaus in der Pflicht, sich die Vorgänge genau anzuschauen. Denn die freie Mandatswahl sowie auch die Freiheit, ein Mandat niederzulegen, gehören zum Kern der anwaltlichen Unabhängigkeit. Sollte das US-Headquarter einer Kanzlei gezwungen sein, bestimmte Mandate anzunehmen oder abzulehnen, könnte dies die Unabhängigkeit der deutschen Niederlassung beeinträchtigen, vor allem, wenn ähnliche Weisungen auch für die deutschen Büros gelten sollen.
In einer aktuellen Mandanteninformation von Willkie, die sich an US-Bildungseinrichtungen richtet, bietet die Kanzlei ihre Dienste an, um effizient mit Klagen „wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ umzugehen und den Schulen zu helfen, „Richtlinien und Verfahren zu erstellen, die die Schüler schützen und das Gesetz einhalten“. Das klingt zunächst harmlos, im Kontext dieses „Client Alerts“ ergibt sich jedoch, dass Willkie dabei helfen will, Trumps Agenda durchzusetzen. Sich gegen die politischen Vorgaben zu stellen, ist offenbar keine Option mehr für die Kanzlei.
Auch das Thema der versteckten und umetikettierten Diversity-Programme ist laut Hartung kaum vom deutschen Berufsrecht zu trennen, auch wenn es im Kern eher ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist. „Die unmittelbare anwaltliche Tätigkeit ist dadurch nicht betroffen“, so Hartung. Der Eingriff strahle aber auf die anwaltliche Unabhängigkeit aus, jedenfalls in der Wahrnehmung durch Außenstehende, die hier eine unzulässige Einflussnahme durch eine ausländische Regierung sehen könnten. „Der Schwerpunkt liegt sicher auf der unternehmerischen Seite, aber eine vollständige Trennung von der berufsrechtlichen Komponente erscheint künstlich.“
Kammern noch nicht startklar
Sind die zuständigen Kammern in Deutschland möglicherweise schon aktiv geworden? Die Rechtsanwaltskammer Frankfurt ließ Fragen zu dem Komplex bislang unbeantwortet. Auch die Rechtsanwaltskammer München konnte die Fragen derzeit nicht beantworten.
Wie steht es überhaupt um die Handlungsoptionen der Kammern? „Es ist problematisch“, sagt Wolf. Das Berufsrecht gewährt den Kammern im Falle der Aufnahme eines Finanzinvestors als Gesellschafter die Möglichkeit, die Zulassung zu widerrufen. Doch der aus rechtsstaatlicher Sicht deutlich brisanteren Fall ist nicht geregelt: wenn nämlich der ausländische Heimatstaat einer Kanzlei die Unabhängigkeit nimmt. Möglich ist in diesem Fall nur eine Rüge, durch die unter Umständen ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden könne, so Wolf. Und das kann dauern.