Preisgestaltung in der Rechtsbranche

„Die Billable Hour ist für alle Beteiligten wie eine Krücke“

Autor/en
  • Aled Griffiths

Pricing-Experte Richard Burcher erklärt im JUVE-Interview, warum sich Kanzleien und Mandanten mit neuen Vergütungsstrukturen so schwer tun.

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Richard Burcher

JUVE: Warum hat das traditionelle Modell der Preisgestaltung von Anwaltskanzleien keine Zukunft?
Richard Burcher: Das Problem liegt im Wesentlichen in gegenläufigen Interessen. Das Billable-Hour-Modell empfinden viele Mandanten als Belohnung für Ineffizienz. Aber die meisten Kanzleien sind nicht bereit, es abzuschaffen, da es so tief in ihrem Geschäftsmodell und ihren Vergütungssystemen verankert ist. Zugleich schaffen die Mandanten keine Anreize für Veränderungen, indem sie weiterhin ein Modell verwenden, das auf Stundensätzen basiert. Es ist ein Teufelskreis. Beide Seiten sind für die Entstehung des Problems verantwortlich, und beide für dessen Lösung.

Was wären die ersten Schritte, um eine Veränderung herbeizuführen?
Ein ehrliches Gespräch zwischen Anwaltskanzleien und ihren Mandanten darüber, was die Mandanten wirklich brauchen und wie dies kosteneffizient, aber auch profitabel umgesetzt werden kann. Beide müssen sich von eingefahrenen Strukturen lösen und neue Wege der Zusammenarbeit ausloten.

Welche Vorteile hätten Kanzleien?
Kanzleien würden dadurch von verbesserter Profitabilität, größerem Vertrauen der Partner in die Preisgestaltung, weniger Reibungsverlusten bei der Preisgestaltung und besseren Mandantenbeziehungen profitieren. Das klingt illusorisch, ist aber machbar. Einige Kanzleien haben bereits große Schritte in die richtige Richtung gemacht.

Und wie würden Rechtsabteilungen profitieren?
Größere Preistransparenz, größere Budgetsicherheit und eine bessere Abstimmung zwischen Kosten und Nutzen.

Welche Risiken birgt die Abkehr vom traditionellen Modell der Billable Hours?
Die Billable Hour ist sowohl für Mandanten als auch für Anwaltskanzleien wie eine Krücke. Beide haben Angst, sie abzuschaffen, weil sie sonst umfallen könnten. Doch das muss nicht sein. Beide müssen akzeptieren, dass es andere Möglichkeiten gibt, die geschäftliche Seite der Beziehung zu regeln. Zweitens müssen sie unvoreingenommen miteinander sprechen. Und drittens müssen sie bereit sein zu experimentieren, um gemeinsam schrittweise zu einer Lösung zu kommen, die für beide Seiten sinnvoll ist.

Ist der Druck auf die Top-Kanzleien – insbesondere in den USA, aber auch anderswo –, groß genug, um ihr Modell zu ändern?
Nicht unbedingt. Es ist nicht so, dass es keine Forderungen nach Veränderungen gäbe. Das Problem liegt in der Unwissenheit und Trägheit. Ich meine das nicht abwertend. Die Preisgestaltung in der Rechtsbranche ist im Vergleich zu den meisten anderen Wirtschaftszweigen wenig ausgefeilt. Die meisten Anwaltskanzleien und ihre Mandanten wissen (noch) nicht, wie sie den Dialog verändern können.


Richard Burcher ist Gründer des Beratungsunternehmens Validatum und gilt international als einer der führenden Experten im Bereich der Pricing-Strategien für Anwaltskanzleien. Er wird auf der Legal Operations Konferenz am 15. und 16. Juni einen Vortrag über aktuelle Entwicklungen in der Preisgestaltung halten. Zudem diskutiert er in einem Workshop mit den Teilnehmenden über weitere Pricing- Themen und das Verhältnis zwischen Mandant und Kanzlei.

Das Interview stammt aus der aktuellen Ausgabe 04/2023 des JUVE Rechtsmarkt.

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