JUVE: Seitdem Sie mit Dr. Alexander Schwarz das Kanzleimanagement übernommen haben, ist die Kanzlei deutlich produktiver geworden. Was haben Sie verändert?
Michael Arnold: Wir haben erkannt, dass wir das Potential unseres Full Service-Ansatzes noch nicht optimal ausschöpfen. Daher steht seit Beginn unserer Amtszeit die Verbesserung der Zusammenarbeit über die Fachgebiete hinweg im Mittelpunkt, Stichwort: Collaboration. Daher haben wir zum Jahreswechsel unsere interne Organisationsstruktur um drei sogenannte Core Business Units (CBUs) erweitert. Wir unterscheiden die CBU Advisory, die CBU Regulatory/Litigation und die CBU Transactions. Ziel der Einteilung ist es, stärker in Produktkategorien wie Beratung, Forensik und Verhandlung zu denken: Wir müssen intern wegkommen von der traditionellen alleinigen Fachgebietsfokussierung. So wollen wir nicht nur die fachliche Expertise, sondern auch den für die jeweilige Beratungsleistung zentralen Mindset und die spezifisch dafür nötigen anwaltlichen Fertigkeiten stärken.
Das klingt nach einem nicht so einfachen Kulturwandel?
Das Wort Kulturwandel ist mir in diesem Zusammenhang zu groß, denn der angestoßene Prozess ist weniger eine Revolution als eine Evolution. Die Praxisgruppen werden nicht aufgegeben, die fachlichen Wurzeln bleiben. Aber natürlich muss jedes Konzept erst einmal umgesetzt werden. Die Einbeziehung aller Partner steht dabei für uns ganz oben.
Wird durch die Fokussierung auf spezielle Mandate nicht die Selbstbestimmung einzelner Partner reduziert?
So sehe ich das nicht. Wir alle haben uns darauf geeinigt, für die Kanzlei offensichtlich notwendige Entwicklungen gemeinsam anzugehen. Es geht darum, der Marktentwicklung noch besser gerecht zu werden und komplexe Projekte noch effizienter bearbeiten zu können – ein Ziel, von dem alle Anwälte profitieren.
Welche Projekte entsprechen ihrem neuen Leitbild?
Neben den verhandlungsintensiven Transaktionsprojekten sind das beispielsweise Internal Investigations, also Mandate, die eine systematische unternehmensinterne Untersuchung umfassen. Oder komplexe Litigation-Projekte: Hinter der Frage, ob ein Unternehmen ein anderes Unternehmen verklagt, steht immer auch eine gesellschaftsrechtliche Frage, nämlich ob eine solche Klageerhebung im Unternehmensinteresse liegt. Ähnliche Fragen stellen sich im Kartellrecht, beispielsweise bei der Stellung eines Kronzeugenantrags. Das eigentliche Mandat erstreckt sich also über mehrere Rechtsgebiete, und wir bieten diese Beratung mit unseren multidisziplinären Teams aus einer Hand an.
Ist das nicht so, als würde der Orthopäde immer auch noch gleich einen Kardiologen hinzuziehen?
Jeder Dienstleister muss auch eine Gesamtperspektive im Blick haben. Angesichts der Komplexität der vielen Rechtsprobleme heute ist dies auch aus Mandantensicht notwendig, aber natürlich nur dort, wo das auch geboten ist. Es geht ja darum, alle Ebenen eines Problems zu verstehen und zu bearbeiten. Nehmen sie das Mandat zur Beratung des VW-Aufsichtsrats, im Grunde sicher ein Compliance-Mandat. Zentrales Merkmal des Mandats ist: Gesellschaftsrechtler können dem Mandat nicht allein gerecht werden, vielmehr gilt es, fachgebietsübergreifend anzusetzen. Wir kombinieren hier forensisch arbeitende Fachleute aus diversen Praxisgruppen und Fachleute, die deren Ergebnisse wiederum gesellschaftsrechtlich umsetzen, um den Gremien konkret helfen zu können.
Welche Rolle spielt die Auslastung und ihre Steuerung dabei?
Eine sehr große Rolle, denn mit dem angesprochenen Projektfokus lässt sich die Auslastung besser steuern, was uns in den vergangenen beiden Jahren jeweils bereits sehr gut gelungen ist. Wir setzen unter anderem auf eine webbasierte App, die unser IT-Leiter, Marc Geiger, entwickelt hat. Jeweils zum Wochenanfang geben alle Gleiss Lutz-Anwälte mittels eines Punktesystems an, wie ihre Auslastung ist: Partner können alle Meldungen innerhalb ihrer eigenen Praxisgruppe einsehen. So lassen sich freie Kapazitäten einzelner Anwälte erkennen, aber wir können auch durch entsprechende Umverteilung Überlastungen entgegensteuern. Dies ist besonders relevant in größeren Projekten mit mehr als fünf Partnern, die im Markt und auch in der Kanzlei immer häufiger werden.
Und darüber, auf welchem Projekt ein nur mäßig beschäftigter Anwalt für die nächsten Monate arbeitet, entscheidet allein das Management?
Nein, das wird auf Ebene der einzelnen Bereiche entschieden. Insgesamt geht es nicht nur darum, anhand der Auslastungssteuerung eine zentralisierte Entscheidung über den Einsatz unserer Anwälte zu treffen. Vielmehr ist auch dieses System Teil des Prozesses, in dem unsere Anwälte das neue Leitbild der Sozietät verinnerlichen, nämlich dass wir noch mehr übergreifend zusammenarbeiten.
Was tun Sie darüber hinaus, um die Produktivität der Kanzlei zu verbessern?
Das Thema Digitalisierung beschäftigt uns intensiv. Eine Task Force hat bereits verschiedene Projekte umgesetzt und arbeitet an neuen Innovationen, die uns in der täglichen Mandatsarbeit unterstützen. Gleichzeitig nutzen wir die neuen Entwicklungen, um unsere internen Abläufe effizienter zu gestalten, z.B. haben wir den administrativen Prozess rund um den Lebenszyklus eines Mandats voll digitalisiert. Weitere Neuerungen, die unserem eingeschlagenen Weg der Prozessoptimierung folgen: Ein neues Document Department hat bereits seine Arbeit aufgenommen. Ein zentrales Billing Department ist in der Pilotphase, und wir arbeiten intensiv an der Einführung eines neuen CRM-Systems. Projektmanagement steht nach wie vor im Fokus und wird kanzleiweit in den nächsten Monaten geschult.
Nach drei Jahren im Management: Wie sehen Sie die Entwicklung der Kanzlei auch mit Blick auf das Personal und den Umsatz?
Wir sind auf Kurs, und die vergangenen beiden Jahre geben uns Recht. Personell sind und waren wir über die letzten Jahre stabil: auch daran zeigt sich, dass wir mit unseren Maßnahmen, die Auslastung zu verbessern und damit die Produktivität zu steigern, den richtigen Weg eingeschlagen haben. Die 200-Millionen-Marke würden wir gerne schaffen.
Das Gespräch führte Martin Ströder.