JUVE: Herr Köhler, in Ihrer Rechtsabteilung sprechen Sie vom „neuen digitalen Normal-zustand“. Was meinen Sie damit genau?
Sebastian Köhler: Für uns ist die Zeit der Analyse von digitaler und virtueller Zusammenarbeit abgeschlossen, und Legal Operations ist schon längst bei uns im Team angekommen. Wir haben uns daran gewöhnt, Soft- und Hardwarelösungen einzusetzen, um als Team weiter bestehen zu können. In vielen Fällen hat die Kombination verschiedener digitaler Lösungen zu einer erleichterten Zusammenarbeit geführt. Am Ende war und ist es ein fortwährender und ganz klassischer Changeprozess hin zu gelebter digitaler Zusammenarbeit.
War die Corona-Situation dafür Auslöser oder eher Katalysator?
Das war sicher der Katalysator. Wir haben bei Grünenthal weit vor Corona begonnen, unsere Zusammenarbeit virtuell zu professionalisieren. Ich selbst führe ein internationales Team, das auf drei Kontinenten verteilt ist, und die digitale Integration war immer Teil der Rechtsabteilung. Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas, unter dem neue technische Lösungen im intensiven Arbeitsalltag bestehen müssen.
Gibt es denn tatsächlich nur Vorteile?
Natürlich nicht. Durch Corona sind auch neue Herausforderungen durch ein überwiegend virtuell arbeitendes Team entstanden.
Welche sind das?
Vor allem verändert sich natürlich die Art, wie Teams geführt werden. Das Wichtigste ist, dass man in engem Kontakt bleibt. Ich habe zweimal in der Woche morgens Legal Check-ins eingerichtet. Das sind kurze fünf- bis zehnminütige virtuelle Meetings, in denen ich über die aktuelle Situation bei Grünenthal oder sonstige tagesaktuelle Themen spreche. Ich pflege hier bewusst einen informellen Umgang, um das zufällige persönliche Gespräch auf dem Flur zu ersetzen. Mein Team sagt mir, dass dieses ‚General-Counsel-Radio‘ gut ankommt. Viele Teammitglieder nutzen die Check-ins, um sich direkt im Anschluss untereinander auszutauschen.
Zweimal die Woche virtuelle Zehn-Minuten-Meetings mit Durchsagen vom Chef reichen aus?
Das ist natürlich nur ein Baustein. Wir haben zudem noch den virtuellen Kaffee eingeführt. Das sind regelmäßige Einzelgespräche mit meinen Teammitgliedern. Hier ist es nach meiner Erfahrung wichtig, dass man sich mindestens 15 Minuten Zeit nimmt und dem anderen wirklich zuhört. Auch die Kamera sollte bei solchen Treffen eingeschaltet sein, und es schadet auch nicht, ein Getränk zur Hand zu haben, um nicht eine allzu künstliche Situation entstehen zu lassen. Diese Kleinigkeiten sind es, die die persönliche Bindung erhalten. Das bildet für mich die Basis der digitalen Zusammenarbeit.
Kann man digital genauso gut führen wie im persönlichen Kontakt?
Wenn Sie so zugespitzt fragen: nein. Natürlich kann man digital auch gut führen, aber der persönliche Kontakt ist unerlässlich. Nehmen wir zum Beispiel das Feedback. Konstruktive Rückmeldungen sollten nicht über E-Mail oder Chatnachrichten erfolgen. In vielen Fällen kann man sich heute aber bestenfalls leider nur in einer Videokonferenz treffen, in der man Körpersprache nur eingeschränkt wahrnimmt. Ich als Führungskraft muss dann umso mehr die Basics für das Geben und Nehmen von Feedback einhalten. Für die Inhalte nutze ich als Faustformel die ‚5:1-Regel‘, wonach der Empfänger bei überwiegend positiven Rückmeldungen für den einen kritischen Punkt empfänglicher ist und die Punkte dann auch eher umsetzt.
Das Gespräch führte Norbert Parzinger.
Das Interview stammt aus der aktuellen Ausgabe des JUVE Rechtsmarkt 11/2020, der gerade erschienen ist.