Viele Kanzleien verhalten sich in diesem Jahr eher abwartend und haben ihre Einstellungspläne angepasst. In Summe wollen sie offenbar nicht mehr so stark wachsen wie noch im Vorjahr geplant. Das ist auch gar nicht so einfach, denn der Pool an Prädikatsabsolventen wird nicht größer: Rund 1.600 Juraabsolventen erreichten laut Statistik des Bundesjustizministeriums in den vergangenen Jahren im Durchschnitt im zweiten Examen ein Prädikat. Dem stehen über 2.000 offene Stellen gegenüber, denn nahezu alle große Kanzleien verlangen offiziell echte Spitzennoten. Und sie konkurrieren nicht nur mit Rechtsabteilungen und dem Staatsdienst, sondern auch spezialisierten Boutiquen oder multidisziplinären Beratungsgesellschaften um den besten Nachwuchs.
Als eine Folge steigen die Einstiegsgehälter immer weiter, teils in astronomische Höhen. Inzwischen können hochqualifizierte Associates im ersten Berufsjahr schon bis zu 140.000 Euro verdienen. Gleichzeitig befindet sich der gesamte Rechtsberatungsmarkt aufgrund von Legal-Tech-Anwendungen im Wandel. Durch Softwarelösungen, etwa bei Due-Diligence-Prozessen, wird es zukünftig weniger Arbeit für First-Year-Associates geben. Infolge dieser Entwicklungen könnte langfristig der Bedarf an Berufsanfängern in den großen Wirtschaftskanzleien sogar sinken.
Für 78 Kanzleien – darunter 65 der 100 umsatzstärksten in Deutschland – liegen azur die Neueinstellungszahlen seit 2011 vor. Nach der Wirtschaftskrise blickten die Kanzleien immer optimistischer in die Zukunft und rechneten alljährlich mit mehr Berufseinsteigern. So stieg die Zahl der geplanten Neueinstellungen bis 2013 kräftig an. Als der Nachholbedarf der Kanzleien gedeckt war, sank diese Zahl allerdings schnell wieder knapp unter das 2011 erreichte Niveau.
Erst 2015 stiegen sowohl die Zahl der tatsächlich erfolgten Neueinstellungen als auch die Personalpläne für das Folgejahr wieder ordentlich an. Die bedeutendsten Kanzleien wollten 2016 vier Prozent mehr junge Juristen einzustellen als 2015. Der Rückblick auf die in 2016 tatsächlich erfolgten Neueinstellungen zeigt allerdings, dass die meisten Kanzleien dies nicht realisieren konnten: In Summe stellten die Kanzleien 2016 etwas weniger Berufsanfänger ein als 2015. Die Planungen dieses Kreises der Kanzleien für 2017 liegen sogar noch leicht unter dem Trend des Gesamtmarktes: Sie planen derzeit, rund zwei Prozent weniger Berufseinsteiger einzustellen als 2016. (Silke Brünger)
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