Zu den zentralen Erkenntnissen zählt, dass der Markt sehr heterogen ist. Die Unternehmen unterscheiden sich nicht nur in Personalgröße und Kapitalstärke, sondern auch im Grad ihrer Spezialisierung und Stabilität.
Das Jahr 2017 stellt dabei eine Zäsur dar, meinen die Autoren Dirk Hartung, Assistant Professor an der Yong Pung How School of Law, und Lauritz Gerlach, Analyst am Bucerius Center on the Legal Profession. Unternehmen, die sich bis dato bereits am Markt etabliert hatten, hätten heute höchstwahrscheinlich eine gewisse Größe erreicht, seien nicht rein auf Legal Tech fokussiert und in der Lage, das Kapital für Innovationen selbst beizubringen. Doch auch nach 2017 kamen viele neue Akteure auf den Markt. Nach einer Konsolidierungswelle gab es mit dem Hype um generative KI einen weiteren Wachstumsschub. Das sind laut Marktmonitor vor allem Start-ups, die sich auf die Entwicklung von Legal-Tech-Lösungen konzentrierten, häufiger fremdfinanziert seien und deren Wachstumsverläufe tendenziell dynamischer, aber auch schwankender seien.
Geschäfte mit Behörden sind lukrativ
Unternehmen, die in der Legal-Tech-Szene aktiv sind, sprechen drei Zielgruppen an. Die größte stellt mit rund 70 Prozent die B2B-Kundschaft, gefolgt von Verbrauchern (B2C), an die sich rund 30 Prozent der Angebote richten. Das Schlusslicht bilden Kunden aus Verwaltung und Justiz, die nur 3 Prozent des Marktes ausmachen. Auffällig war allerdings, dass der Business to Government (B2G)-Bereich in der Bilanzsumme mit 13 Prozent weit überdurchschnittlich zu Buche schlägt.
Die Gründe für den geringen Marktanteil im B2G-Segment liegen laut den Autoren unter anderem an einer deutlichen Skepsis von Jusitzmitarbeitenden gegenüber technischen Lösungen – insbesondere im Verhältnis zur Haltung von Investoren und Legal-Tech-Anbietern. Aber auch lange Vertriebszyklen, hohe Kosten und komplexe Ausschreibungsverfahren tragen ihren Teil dazu bei, dass Legal Tech insbesondere bei der öffentlichen Hand noch nicht besonders weit verbreitet ist. Lange Vertriebszyklen gaben allerdings viele der Befragten als eine der größten Herausforderungen des Marktes an. Gefolgt von Personalgewinnung und komplexen und vielfältigen regulatorischen Rahmenbedingungen.
Es hapert an Datenqualität und Transparenz
Auch bei der Finanzierung von Legal-Tech-Unternehmen stellen sich gleich mehrere Herausforderungen. Trotz einer soliden Finanzierung vieler Anbieter besteht ein erheblicher kurz- bis mittelfristiger Kapitalbedarf. Mehr als die Hälfte der Anbieter sieht in den kommenden zwölf Monaten Bedarf an externem Kapital, insbesondere für Investitionen in KI. Mehr als ein Drittel benötigt nach eigenen Angaben mehr als eine halbe Million Euro, während ein Fünftel sogar eine Million und mehr für notwendig hält. Nur 13 Prozent der Befragten konnten solche Summen im vergangenen Jahr allerdings einsammeln.
Diese potenzielle Finanzierungslücke erklärt sich laut Hartung und Gerlach jedenfalls teilweise dadurch, dass etwa die Hälfte der Anbieter bisher durch Bootstrapping finanziert ist, also Investitionen ausschließlich selbst bestreitet. Es gebe laut Studie durchaus Finanzierungsrunden mit strategischen Investoren im zweistelligen Millionenbereich, allerdings bleibe die Frühphasenfinanzierung ein Schwachpunkt. Viele Investoren täten sich schwer, in nicht validierte Geschäftsmodelle zu investieren, was einerseits auf regulatorische Unsicherheiten und andererseits auf die Marktmacht traditioneller Rechtsdienstleister zurückzuführen sei.
Die Autoren der Studie verwiesen zudem auf die Datenlage. Es gebe eine deutliche Diskrepanz in der Datenqualität zwischen dem deutschen und dem internationalen Markt. In Deutschland fehle es an umfassenden Datenbanken, die für Investitionsentscheidungen wichtig seien. Diese mangelnde Transparenz könne potenzielle Investoren abschrecken.
Und überall fehlt das passende Personal
Beim Thema Nachwuchs schätzen 45 Prozent der befragen Unternehmen es als eher schwierig ein, juristisch und technisch qualifiziertes Personal zu finden. Legal-Tech-Anbieter tun sich bei der Gewinnung von Juristen leichter als Kanzleien und Unternehmen. Hartung und Gerlach führen das unter anderem darauf zurück, dass die Nachwuchskräfte die Arbeit bei einem Legal-Tech-Anbieter oft als zusätzliche Qualifikationsmöglichkeit ansehen und dafür teils auch geringere Vergütungen in Kauf nähmen als sie beispielsweise in Kanzleien erwarten könnten.
Ein großes Problem sei auch die mangelhafte Ausbildung im Legal-Tech-Bereich. Zwar versuchten einige Universitäten, mit speziellen Angeboten technisch versierte Absolventen auf den Markt zu bringen, es gebe aber auch konservative Hochschulen, die sich darum bislang nicht kümmerten. Hartung betonte die Wichtigkeit, technische Inhalte zum Bestandteil des Jurastudiums zu machen.
Insbesondere im Referendariat fehle es an Ausbildungsangeboten im Legal-Tech-Bereich, was auch die Nachwuchszahlen in der Justiz negativ beeinflusse. Hier ist der Personalmangel laut Studie besonders gravierend.
Die Initiative für den Marktmonitor ging vom Legal Tech Verband Deutschland aus. Projektpartner sind das Legal Tech Colab, das Bucerius Center on the Legal Profession und der Beck-Verlag. Der Monitor basiert auf einer Umfrage, an der rund 300 Personen aus Kanzleien und Rechtsabteilungen, von Legal-Tech-Anbietern und aus der Justiz teilgenommen haben. Außerdem haben die Verantwortlichen Daten zu den in Deutschland verfügbaren Legal-Tech-Angeboten und -Unternehmen erhoben und ausgewertet sowie Interviews mit fast 50 Personen aus der Szene geführt, die sich mit dem Legal-Tech-Markt aus verschiedenen Perspektiven befassen.
Die Studie sei allerdings nicht repräsentativ. Vielmehr handele es sich um eine Selbstvermessung der Branche, sagte Hartung bei der Vorstellung der Ergebnisse.