So trocken das Thema klingt, so schnell und manchmal überraschend entwickelt sich die Legal-Operations-Landschaft. Dass ein Pharma- und Chemiekonzern plötzlich als Anbieter von Legal-Tech-Tools auftritt, hätte vor ein, zwei Jahren sicher niemand erwartet. Was kürzlich die Rechtsabteilung von Merck KGaA verkündete, läuft aber genau darauf hinaus: Gemeinsam mit dem Technikdienstleister Join vermarktet Merck nun eine Kundenversion des konzerninternen Contract Lifecycle Management (CLM)-Systems Ledox. Die Microsoft 365-basierte Software ist seit Ende 2020 weltweit im Konzern im Einsatz, eingeführt als eines der ersten Projekte des Legal-Ops-Teams um die Inhouse-Juristin Nina Stoeckel.
Mit dieser raschen Entwicklung ist Merck nicht allein. Dass viele Rechtsabteilungen in Sachen Effizienzoptimierung schon weit fortgeschritten sind, zeigte unter anderem die dritte Legal-Operations-Konferenz von JUVE und der NWB Akademie, die im Juni als Onlinetagung mit rund 60 Inhouse-Teilnehmern stattfand. Dabei prägen die einschlägigen Methoden mitunter den Umbau kompletter Abteilungen, wie UBS-Chefjurist und COO Dr. Thomas Barothy berichtete: Beginnend mit ersten Initiativen 2017 wurde die Rechtsfunktion der Großbank grundlegend neu aufgestellt, wobei die Devise „Legal is Business – it should be run like this“ nicht aufs Gefallenwollen angelegt war. Ein weiteres Praxisbeispiel steuerte die Bayer-Rechtsabteilung bei, die in den vergangenen zwei Jahren ihr Vertragsmanagement weitgehend automatisiert und in einem weltweit vernetzten System aus Contract Centers gebündelt hat.
Von der datengestützten, mehrwertabhängigen Priorisierung juristischer Aufgaben bis zur Quantifizierung von ESG-Kriterien reichte das Spektrum der übrigen Tagungsbeiträge. Auch die nötigen Kompetenzen von Legal-Ops-Spezialisten, das veränderte Berufsbild der Juristen und neue Aufgaben für die Personalführung und -entwicklung waren Thema von Vorträgen und Diskussionsrunden.
Learning by doing
Immer wieder zeigte sich dabei, wie sehr die Legal-Ops-Revolution aus dem Inneren der Unternehmen und ihrer Rechtsabteilungen heraus vorangetrieben wird: Eine Blitzumfrage während der Tagung ergab, dass schon das nötige Personal weit überwiegend aus dem Inhouse-Umfeld stammt. Die Ops-Community dürfte in Deutschland inzwischen mehrere hundert haupt- und nebenberufliche Experten umfassen, die oft auf Erfahrung in nichtjuristischen Bereichen zurückgreifen können und sich ihre Spezialkenntnisse meist in der täglichen Praxis selbst beigebracht haben. Strukturierte Ausbildungsprogramme, etwa der im Vorjahr gestartete Legal-Ops-Campus der Bucerius Law School, spielen bisher noch keine größere Rolle.
Auch Kanzleien und andere Berater sind – abseits konkreter Mandate – eher selten involviert. Wer in den Unternehmen schwerpunktmäßig mit Legal-Operations-Aufgaben befasst ist, wollte eine weitere Blitzumfrage wissen. Die allermeisten Teilnehmer ordneten das Thema ausschließlich ihren Inhouse-Spezialisten zu, Externe kommen nur bei einer Minderheit ins Spiel. Wenn zielführende Methoden – und die nötigen Tech-Tools – auch anderswo erst erfunden werden müssen, helfen sich Syndika und Syndikus eben einfach selbst.
Der Beitrag stammt aus der aktuellen JUVE Rechtsmarkt-Ausgabe 08/21, die gerade erschienen ist.