Interview

Nachhaltigkeit von Australien nach Wien gebracht

Dr. Eva-Maria Ségur-Cabanac ist bei Baker McKenzie nicht nur Partnerin im Wiener Büro, sondern ist auch globale Sustainability-Leiterin für die ‚Financial Institutions Industry‘-Gruppe. Wie Sie den Beratungsbedarf zu Nachhaltigkeit einordnet und was das in der Praxis bedeutet, erläutert Sie im Gespräch mit JUVE.

Teilen Sie unseren Beitrag
Eva-Maria Ségur-Cabanac

JUVE: Wie und wann sind Sie in diese Position gekommen? 
Dr. Eva-Maria Ségur-Cabanac: Im Frühjahr 2020 kam die Mail der Leitung unserer ‚Financial Institutions Industry‘-Gruppe. Neben unserer globalen Sustainability-Leiterin Alyssa Auberger sollte nämlich jede Industriegruppe einen Hauptansprechpartner oder -partnerin für Nachhaltigkeitsthemen nominieren. Für die Financial-Institutions-Industriegruppe fiel die Wahl damals auf mich, weil ich im September 2019 anlässlich des weltweiten Kapitalmarktrechtstreffens in Wien ein Sustainable Finance Forum aufgesetzt habe. Das war noch vor dem Green Deal der EU. Das ist relevant, weil bis dahin das Thema nachhaltige Finanzierung in der Baker-Welt stark in Australien verortet war. Es war daher interne Überzeugungsarbeit nötig, dass wir uns hier in Europa federführend mit dem Thema beschäftigen sollten. Ich habe damals auch viele Veranstaltungen und interne Schulungen dazu gemacht. 

Was bedeutet das für die juristische Arbeit? 
Nachhaltigkeit wird in vielen Bereichen sehr verrechtlicht, das ist eine große Herausforderung für die Mandanten. Die Abgrenzung der Rolle der Rechtsabteilung und wie externe Berater am besten unterstützen können, ist auch noch nicht klar. Aber es treibt unsere Mandanten weltweit um, ich bekomme ein bis zwei Anfragen die Woche zu dem Thema. Oft wissen die Mandanten auch nicht genau, was sie brauchen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Ich höre zum Beispiel ganz oft von Mandanten: ‚Helfen Sie mir, einen RFP zu schreiben.‘ Auch intern gebe ich unseren Partnern Know-how diesbezüglich weiter, und zwar weltweit – dabei ist es gut, dass viele Regelungen inzwischen EU-weit gelten.  

Wenn Sie sagen EU-weit, was ist mit dem Rest der Welt? 
Die EU ist Vorreiter in diesem Bereich, aber auch andere Jurisdiktionen ziehen nach. Die EU-Regelungen sind strenger und detaillierter als sonst wo auf der Welt. Wenn man also einen einheitlichen Standard haben will, ist es am einfachsten, die EU-Regeln einzuhalten, dann ist schon mal viel abgedeckt.  

Wie beeinflusst das Thema die Mandatsarbeit? 
Die Geschwindigkeit in den einzelnen Industriegruppen ist sehr unterschiedlich. Die Finanzindustrie war insbesondere mit der SFDR (Sustainable Finance Disclosures Regulation) früher als andere Industriegruppen von detaillierter Regulatorik betroffen. Da waren unsere Fonds-Kollegen von Anfang an sehr intensiv involviert; meine Rolle war da oft, die richtigen Spezialisten für das Mandat zu finden. Bei Finanzinstituten, Fonds und Private-Equity-Häusern ist also der regulatorische Bereich komplexer. Mittlerweile sind aber von der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und EU-Taxonomie auch die Corporates sehr intensiv betroffen und ich berate hier auch persönlich eine Vielzahl von Mandanten. Wir haben mittlerweile ein standortübergreifendes Team an mehreren EU-Standorten, die regelmäßig EU- und nicht EU-Mandanten in diesen Fragen beraten und darüber hinaus auch Kollegen in anderen Büros und Praxisgruppen mit Spezial-Know-how unterstützen. Nachhaltigkeitsthemen spielen ja in ganz viele Transaktionen und Advisory-Mandate hinein. Mit Umsetzung der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive), die jetzt höchstwahrscheinlich doch kommen wird, ergeben sich noch mal ganz andere Anforderungen.

Aus wie vielen Leuten besteht dieses Team? 
Das gibt es so konkret noch nicht, aber wir entwickeln gerade ein Team für den Hardcore EU-regulatorischen Bereich; da sind natürlich Associates aus dem Green-Deal-Team in Brüssel dabei, aber zum Beispiel auch ein Associate aus dem Steuerrecht in Wien für bilanzrechtliche Fragen rund um die CSRD. Ich denke aber, man sollte innerhalb der Kanzlei nicht überstrukturieren. Wichtig ist, ein Team mit den besten Köpfen für das konkrete Problem des Mandanten aufzustellen.

Wo geht die Reise in Sachen Nachhaltigkeit hin? 
Ich meine, dass das Thema immer auch als Business-Treiber gesehen werden muss. Compliance only wäre in diesem Bereich viel zu kostspielig. Die große Herausforderung in den nächsten Jahren ist sicher die Dekarbonisierung. Da muss die wirkliche Umstellung bei den Corporates passieren, die Dekarbonisierungshebel liegen viel mehr dort als im Finanzsektor. Aber der Finanzsektor hat eine wichtige Rolle als ‚Katalysator‘ von Veränderung, viele unserer Mandanten sehen das auch so. Die Rolle für uns als Berater entwickelt sich noch, aber man kann sehr viel bewegen. Das Gute ist, dass es kein Problem ist, engagierte und motivierte Associates für dieses Thema zu finden, die sind alle sehr interessiert daran.  

Artikel teilen

Gerne dürfen Sie unseren Artikel auf Ihrer Website und/oder auf Social Media zitieren und mit unserem Originaltext verlinken. Der Teaser auf Ihrer Seite darf die Überschrift und den ersten Absatz des Haupttextes enthalten. Weitere Rahmenbedingungen der Nutzung unserer Inhalte auf Ihrer Website entnehmen Sie bitte den AGB.

Für die Übernahme von Artikeln in Pressespiegel erhalten Sie die erforderlichen Nutzungsrechte über die PMG Presse-Monitor GmbH, Berlin. Telefon: 030/284930 oder www.presse-monitor.de.

Lesen sie mehr zum Thema