JUVE: Muss die hierarchisch organisierte Partnerschaft abgeschafft werden, um dem juristischen Nachwuchs der neuen Generation bessere Entwicklungschancen zu bieten, wie Peter Möllmann es neulich im JUVE Rechtsmarkt zusammengefasst hat?
Dr. Andrea Panzer-Heemeier: Nein, im Gegenteil. Erfolgreiche Organisationen brauchen klare Strukturen und Hierarchien, aber eben nicht im Sinne von über und unter, sondern mit einer konkreten Sachanknüpfung: Wer ist wofür sachlich verantwortlich? Und am Ende natürlich auch, wer trägt die unternehmerische und wirtschaftliche Verantwortung? Sich hinzustellen und den jungen Kolleginnen und Kollegen zu sagen: Hört mal, wir haben hier gar nichts bis auf Letztentscheidungskompetenzen, das führt aus meiner Sicht in die falsche Richtung.
Ohne Ausnahme?
Kleine Beratungsgesellschaften können das vielleicht hinbekommen, aber ab einer gewissen Größe wird es schwierig. Auch McKinsey ist im Übrigen ja kein Beispiel für einen hierarchiefreien Raum.
Inwiefern sehen Sie das partnerschaftliche Modell im Vorteil?
Partnerschaft hat aus meiner Sicht klare soziale Elemente. Natürlich geht es am Ende um wirtschaftlichen Erfolg. Die Frage ist: Wie kriege ich soziale Steuerungselemente in die Organisation einer Rechtsberatungsgesellschaft eingebaut? Und da ist aus meiner Sicht das Vergütungsmodell auf Partnerebene sehr auschlaggebend, eine starke Lockstep-Komponente bürgt für einen gemeinschaftlichen Ansatz.
Okay, aber das scheint ja nicht mehr zu funktionieren.
Das reine Lockstep nicht, richtig. Das hat natürliche Gründe, nämlich eine Fokussierung auf individuelle Interessen. Diese müssen mit dem gemeinschaftlichen Ansatz in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Die Rallye bei den Einstiegsgehältern ist da wenig dienlich. Wir bei Arqis zahlen einem Berufsanfänger 120.000 Euro. Bekanntlich zahlen amerikanische Kanzleien bis zu 170.000 Euro. Derartige Höhen sind mit dem Wunsch der jungen Leute nach nichtmonetärer Wertschätzung und Work-Life-Balance kaum in Einklang zu bringen und auch sonst ein falsches Signal. Wenn wir die Gehälter der Berufseinsteiger immer weiter in die Höhe schrauben, wundert es nicht, dass Vergütungssysteme mit sozialer Komponente wie der klassische Lockstep, der von individueller Zurückhaltung lebt, immer schwerer zu halten sind.
Also leisten die vermeintlich neuen Ideen des juristischen Nachwuchses eher der weiteren Degradierung der sozialen Elemente in einer Partnerschaft Vorschub?
Das Risiko besteht zumindest. Die Einebnung von Hierarchien führt doch am Ende dazu, dass das wirtschaftliche Risiko der Unternehmung Rechtsberatung sich mit auf die jungen Kollegen verlagert, die dann genauso in der Verantwortung – und letztlich Haftung – stehen, wie diejenigen, die schon viele Jahre im Beruf sind. Ist das sozial? Und was ist mit all den anderen sozialen Elementen, die die Partnerschaft auch den Berufsanfängern durch die pyramidale Organisationsstruktur und klare Entscheidungskompetenzen bietet? Ich denke nicht, dass klar ist, was die Ideen der Abschaffung der Partnerschaft in ihrem traditionellen Modell konsequent zu Ende gedacht bewirken.
Warum glauben Sie das?
Nehmen Sie zum Beispiel den Begriff ‚Partner‘. Partner sein im Sinne von beteiligt sein an Entscheidungen, am Erfolg, damit zugleich am Gewinn, das wollen praktisch alle. Wirtschaftlich schlechtere Zeiten unmittelbar in der eigenen Tasche spüren und ‚partnerschaftlich‘ auch den Erfolg oder Misserfolg der anderen Kollegen mittragen, das möchten deutlich weniger. Dazu gibt es aber in einer ‚partnerschaftlichen‘ Organisation ohne ‚Partner‘ im traditionellen Sinne keine Alternative.
Woran hapert es bei den Möchtegernpartnern?
„Möchtegern“ ist gar nicht mein Punkt. Es geht mir um klare Begrifflichkeiten und damit verbundene Rollen: Partner sein bedeutet Unternehmer zu sein mit allem Wohl und Wehe. Das ist niemand einfach so. Dafür muss man viel Zeit und Energie investieren. Verantwortung übernehmen für Mandanten und Mitarbeiter, diese zugleich führen können und maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Sich auf all das einzustellen, dazu gibt es den Partnertrack. Den kann ich als Anwalt in der Kanzlei anstreben oder mich bewusst dagegen entscheiden. Was nach meiner Überzeugung nicht funktioniert, ist, dass wir uns alle als ‚Partner‘ definieren, aber nach Gusto entscheiden, wie stark wir in die Führung und ins Risiko gehen. Die Diskussion über die Zukunft der Struktur von Wirtschaftskanzleien sollte intensiv geführt werden, aber nicht vorschnell vermeintlich veraltete Strukturen einer Generalkritik unterwerfen.
Das Interview stammt aus der aktuellen Ausgabe des JUVE Rechtsmarkt 11/2022.