„Richtiges Thema – falscher Regelungsort“
Dr. Andrea Panzer-Heemeier ist Managing-Partnerin von Arqis.
Nachhaltigkeitsziele müssen regelmäßig überprüft, neu gesetzt und erweitert werden. Nur so kann Fortschritt dynamisch gestaltet werden. Und genau deswegen gehört Nachhaltigkeit für mich nicht fest statuiert in einen Partnerschaftsvertrag.
Es gibt so viele Punkte, über die eine Kanzlei nachhaltiger agieren kann. Wir haben das in unserem Green Team erlebt. Es geht um Lebensmittel, Reisen, Diversität, Abfall oder Strom. Und es endet mit der Frage, welche Mandanten vertreten werden sollen, zu welchen Themen beraten werden soll. Wenn Nachhaltigkeit sinnhaft in den Partnerschaftsvertrag aufgenommen werden soll, dann müssten auch diese Details ausgestaltet sein. Das würde dann aber den Sinn und Zweck des Gesellschaftervertrages als grobes Rahmenwerk verzerren. Gleichzeitig könnte es eine zeitgemäße und fortschrittliche Nachhaltigkeitsentwicklung hemmen. Denn einen Gesellschaftervertrag fasst man nicht jedes Jahr aufs Neue an.
Wenn der Vertrag diese Mikroebene gar nicht berührt, dann versandet Nachhaltigkeit potenziell als leerer Oberbegriff und ist am Ende vielleicht nichts anderes als Ethicwashing. Interessant fände ich die Frage, ob bei den Kanzleien, die Nachhaltigkeit in den Partnerschaftsvertrag mit aufnehmen, entsprechende Ziele sich auch auf die Partnervergütung auswirken.
„Nachhaltigkeit muss am Unternehmenserfolg messbar sein“
Dr. Annika Bleier ist Head of ESG & Sustainability bei GvW Graf von Westphalen.
Ein mündliches Commitment ist gut – ein schriftliches aber noch besser. Nachhaltigkeit muss zu einer Kennzahl für den Unternehmenserfolg (KPI) werden, zu einem echten Entscheidungskriterium und zum Teil der Kanzleistrategie. Nachhaltigkeit und erfolgreiches Wirtschaften sind keine Gegensätze, auch wenn sich dieses Narrativ weiter hartnäckig hält. Nachhaltige Mitarbeiterführung bedeutet beispielsweise weniger Fluktuation und höhere Mitarbeitendenzufriedenheit, zentrale Erfolgsfaktoren für unser ‚people business‘.
Das schriftliche Bekenntnis im Sozietätsvertrag hat bei uns zu einer wichtigen kontrovers geführten Diskussion in der Sache geführt. Die Aufnahme in die Satzung ist ein großer Schritt, der die ganze Partnerschaft betrifft – deshalb waren auch alle Teil der Auseinandersetzung. Besser kann für ein wichtiges Thema nicht sensibilisiert werden, als dass alle Führungspersonen involviert werden, letztlich sind sie die Multiplikatoren für das Thema.
Kultur muss vorgelebt werden. Weiterer Pluspunkt: Führungskräfte müssen sich (und können sich) an dieser Grundsatzentscheidung festhalten lassen. Dies gilt für eine punktuelle Beschaffungsentscheidung genauso wie für große strategische Unternehmensfragen. Am wichtigsten ist natürlich die gelebte Praxis. Jeder Ansatz, der auf dieses Ziel einzahlt, ist gut. Bekanntlich führen viele Wege nach Rom und hoffentlich auch zu einer nachhaltigen Wirtschaft.
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 09/2023 des JUVE Rechtsmarkt.