Umstrittene Beihilfen

Neue Leitlinien der EU-Kommission bedrohen Regionalflughäfen

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  • JUVE

Die Regionalflughäfen in der EU steuern auf ungewisse Zeiten zu, in Deutschland droht mindestens der Hälfte das Aus, so Branchenexperten. Hintergrund sind die neuen Leitlinien zu staatlichen Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, die die EU-Kommission heute angenommen hat. Sie sind zugleich entscheidend für die rund 30 Beihilfe-Hauptprüfverfahren, über die die EU-Kommission noch entscheiden muss.

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Jürgen Werner
Jürgen Werner

Staatliche Beihilfen für Investitionen in Flughafeninfrastruktur sind laut der Kommission zulässig, wenn ein echter Verkehrsbedarf besteht und die öffentliche Förderung notwendig ist, um die Verkehrsanbindung eines Gebiets sicherzustellen. Neu ist, dass sie nun Betriebsbeihilfen für regionale Flughäfen mit weniger als drei Millionen Passagieren jährlich unter bestimmten Voraussetzungen zulässt. Diese Beihilfen sind nur zehn Jahre lang erlaubt, danach müssen sich die Flughäfen selbst tragen.

„Durch das EU-Beihilferecht sind eine Vielzahl der Regionalflughäfen bedroht, und zwar alle diejenigen, die sich aus ihrer eigenen Geschäftstätigkeit alleine nicht finanzieren lassen und – trotz einer Übergangszeit – auch nicht auf eine profitable Tätigkeit ausgerichtet werden können“, sagt Jürgen Werner von Norton Rose Fulbright.

„Betrachtet man den Umstand, dass eine Vielzahl von Regionalflughäfen auch in Deutschland nicht und auch noch zu keinem Zeitpunkt profitable Ergebnisse erwirtschaftet haben, ist davon auszugehen, dass diese Flughäfen auf mittlere Sicht nicht mehr von den Mitgliedstaaten unterstützt werden können.“ Ihr Aus dürfte daher wohl unumgänglich sein, insbesondere wenn es aufgrund der räumlichen Nähe zueinander nicht genügend Passagier- oder Frachtverkehr für alle Flughäfen in der Region gibt.

Größere Regionalflughafen benötigen als Daumenregel einen Einzugsbereich mit circa sechs Millionen potenziellen Passagieren. Angesichts dessen dürften beispielsweise Zweifel daran bestehen, dass der Flughafen Frankfurt-Hahn die Verlustzone verlassen wird. Dort muss die Billigfluglinie Ryanair zum Beispiel weder Start-, Lande- und Anflugentgelte leisten noch für die Nutzung der zentralen Infrastruktureinrichtungen zahlen.

Durch solche und ähnliche Methoden sorgten die Regionalflughäfen in den vergangenen Jahren für einen hohen Wettbewerbsdruck auf die internationalen Flughäfen und etablierten Fluggesellschaften. Die Deutsche Lufthansa klagte letztlich gegen die Situation in Frankfurt-Hahn. Zwischenzeitlich eröffnete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren.

Retten, was zu retten ist

Martina Maier
Martina Maier

„Die neuen Leitlinien stellen in der Tat strenge Anforderungen an die Genehmigungsfähigkeit von Beihilfen. Zudem ist bekannt, dass die Europäische Kommission der Auffassung ist, dass es in Europa in bestimmten Gebieten zu viele Regionalflughäfen gibt. Daher wird sie die Leitlinien wahrscheinlich streng auslegen“, so die Beihilferechtsexpertin Martina Maier von McDermott Will & Emery.

Dennoch seien die Würfel für einzelne Flughäfen noch nicht gefallen. Die Flughäfen, die öffentliche Unterstützung brauchen oder in der Vergangenheit in Anspruch genommen haben, müssten die Kommission nun davon überzeugen, dass Maßnahmen, die sich als Beihilfen qualifizieren, europarechtskonform sind und genehmigt werden können. Gegebenenfalls müsste dafür das Geschäftsmodell überarbeitet und möglicherweise komplett neu ausrichten werden, so die Brüsseler Anwältin.

Die Mehrheit der Beihilfebeschwerdeverfahren, die der EU-Kommission vorliegen, wartete auf die neuen Leitlinien. Zeitgleich gab die EU-Kommission daher eine Reihe von Beihilfeentscheidungen bekannt, so befreite sie den staatlichen Betreiber Flughafen Berlin-Schönefeld (jetzt Flughafen Berlin Brandenburg) vom Vorwurf der staatlichen Beihilfe. In dem Verfahren beriet DLA Piper die Flughafengesellschaft, die unter anderem Rabatte auf die Start- und Landeentgelte erteilt hatte. Norton Rose Fulbright betreute die Fluglinie Easyjet wegen eines vergünstigten Mietvertrages. Der Ausgang des Falls gilt nicht als beispielhaft für die anderen anhängigen Prüfverfahren.

Die neuen Leitlinien sind Teil der Modernisierung der EU-Beihilfenkontrolle. Die Amtszeit von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia endet im November. Bis dahin wird erwartet, dass die Kommission die Modernisierung abgeschlossen hat.

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