„Die transatlantische Zerreißprobe ist die neue Realität“, sagte Dr. Claudia Junker, Präsidentin des Bundesverbandes der Unternehmensjuristinnen und Unternehmensjuristen (BUJ) in ihrer Eröffnungsrede, „was morgens gilt, kann abends wieder falsch sein.“
Doch auf dem diesjährigen Unternehmensjuristenkongress, der am 11. und 12. September in Berlin stattfindet, wurde schnell klar: Mindestens ebenso große Sorgen bereiten den Rechtsabteilungen die hausgemachten Probleme in Deutschland. Unter dem Motto „Inhouse Counsel – Strategische Stütze und Innovationstreiber in einer Welt im Wandel“ diskutierten so viele Teilnehmende wie nie zuvor über Bürokratie-Dschungel, schleppende Digitalisierung und die Folgen von KI in ihren Rechtsabteilungen.
Politik im Kreuzverhör: Wie kommen wir vom Reden ins Handeln?
Die rechtspolitische Panel-Diskussion am Vorabend, moderiert von BUJ-Geschäftsführer Dr. Patrick Otto, machte die Ungeduld der Wirtschaft deutlich. „Wie kommen wir vom Reden ins Handeln?“, lautete die zentrale Frage an die Vertreter der Politik im Hinblick auf den versprochenen Bürokratieabbau.
Susanne Hierl, früher bei Rödl & Partner und heute Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Rechtsausschuss, bekräftigte das Ziel, eine Unternehmensgründung binnen 24 Stunden gesetzlich zu ermöglichen. Ein automatischer Datenaustausch zwischen Notariat, Finanzamt und Gewerbeamt sei der Schlüssel. Die Kompetenzen für solche Vorhaben würden nun im neu geschaffenen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) gebündelt, was jedoch länger dauere als erhofft.
Dr. Thorsten Lieb (FDP), Partner der Kanzlei Avocado, kommentierte: „Es überzeugt nicht ad hoc, wenn man Bürokratie abbauen will, erst einmal ein neues Ministerium zu schaffen.“ Er forderte von der Politik mehr Vertrauen in die Unternehmen, etwa bei den ausufernden ESG-Reportings: „Liest denn jemand die ganze Dokumentation nochmal?“ Zustimmung kam von Hierl bei der Forderung, AGB-Richtlinien für den B2B-Bereich zu lockern: „Wir müssen einen Unterschied machen, ob die Verträge zwischen Unternehmen oder mit einem Verbraucher geschlossen werden.“
Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) mahnte vor allem eine bessere Kommunikation der Behörden untereinander an. Es könne nicht die Aufgabe der Bürger und Unternehmen sein, Bescheide in Papierform von einer Institution zur nächsten zu tragen.
Justizministerium skizziert die nächsten großen Rechtsbaustellen
Annette Kramme, Parlamentarische Staatssekretärin im Justizministerium, vertrat Bundesjustizministerin Dr. Stefanie Hubig (SPD) und brachte zentrale Regelungsvorhaben mit. Besonders im Fokus:
- Aktienrecht: Das Beschlussmängelrecht soll diskutiert werden, um die Anfechtungsrisiken nach Hauptversammlungen für Unternehmen zu senken.
- Nachhaltigkeit: Neben der Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Neuaustarierung der Lieferkettenrichtlinie erfordert die EmpCo-Richtlinie, die irreführende Werbung mit Umweltaussagen (Greenwashing) unterbinden soll, hohe Aufmerksamkeit.
- Künstliche Intelligenz: Die KI-Verordnung macht eine Reform des Urheberrechts notwendig. Es gelte, den Schutz kreativer Leistungen beim KI-Training und deren wirtschaftliche Verwertung auszubalancieren. „Vielleicht entwickelt sich kein funktionierender Lizenzmarkt, dann müssen wir europaweit überlegen, wie eine angemessene Vergütung aussehen könnte“, so Kramme.
- Verfahrensbeschleunigung: Eine Novelle der Verwaltungsgerichtsordnung soll für schlankere Verfahren sorgen.
Kramme, selbst seit 1998 im Bundestag, gab zudem eine ernüchternde Einschätzung zur Langlebigkeit von Gesetzen: „Meine Erfahrung ist, dass neue Gesetze typischerweise 15 Jahre nicht angefasst werden.“ Eine schnelle Nachjustierung sei daher eine gewaltige Aufgabe.
Der enorme Andrang spiegelt die Brisanz der Themen wider: Mit rund 500 Teilnehmenden – 200 mehr als in den Vorjahren – war der Kongress so groß wie nie. Die Veranstaltung zog dafür in eine größere Location am Spree-Bogen um.
Transparenzhinweis: Der JUVE Verlag ist Medienpartner des diesjährigen Unternehmensjuristenkongresses.