WGF-Komplex

Novum mit Störgefühlen

Autor/en
  • JUVE

„Undenkbar“, „PR-Gag“, „Beutelschneiderei“, „Parteiverrat“: Als Prof. Dr. Julius Reiter von Baum Reiter & Collegen und Klaus Nieding von Nieding + Barth im April verkündeten, dass sie in den Vorstand beziehungsweise den Aufsichtsrat der insolventen Westfälische Grundbesitz und Finanzverwaltung (WGF) einzuziehen wollen, hagelte es Kritik. Doch seit dem 24. Juni ist der Insolvenzplan rechtskräftig. Und der sieht explizit vor, einen Risikovorstand zu installieren und den Aufsichtsrat mit einem von allen Hypothekenanleihegläubigern anerkannten Gläubigervertreter zu besetzen.

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Nieding allerdings besetzt weiterhin den Posten des gemeinsamen Vertreters für eine der sechs Hypothekenanleihen. Ein anderer Nieding + Barth-Partner, Andreas Lang, ist gemeinsamer Vertreter für zwei weitere Anleihen. „Man kann aber nicht eine ganze Kanzlei in Sippenhaft nehmen“, sagt ein eng mit der Sache Vertrauter. „Wichtig ist nur, dass Nieding die Dinge aus dem Aufsichtsrat vertraulich behandelt, falls Kollegen die Mandate gegen die WGF weiterführen.“ Außerdem liefere das Schuldverschreibungsgesetz klare Regeln: „Das Auftreten als gemeinsamer Vertreter ist kein Ausschlussgrund für die Übernahme dieser Organfunktionen.“  Die Funktionen müssen lediglich offengelegt werden.

Weitergehen könnte Paragraf 45 Abs. 2 S. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Danach ist einem Rechtsanwalt untersagt, außerhalb seiner Anwaltstätigkeit oder einer sonstigen Tätigkeit beruflich tätig zu werden in Angelegenheiten, mit denen er bereits als Rechtsanwalt befasst war. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (AZ 18 U 214/06) ist allerdings gegebenenfalls eine restriktive verfassungskonforme Auslegung vonnöten. Die Norm soll danach nur dann Anwendung finden, wenn der Schutz des Mandanten es erfordert. Das sei dann eben nicht der Fall, wenn die Interessen gleichlautend sind – hier also müssten sich die Interessen der WGF und der Anleihegläubiger entsprechen. Ob das der Fall ist, wird sehr unterschiedlich bewertet – immerhin muss der Vorstand ja nun das anstreben, was im Insolvenzplan vereinbart wurde. Reiter sagt: „Wäre die Aufregung in einem vergleichbaren Fall ebenso groß, wenn eine Bank zur Rückführung ihrer Verbindlichkeiten eigene Berater/Vertreter in Vorstand und Aufsichtsrat entsenden würde? Wohl kaum.“

Die Frage soll nun durch ein Gutachten geklärt werden. Ein erstes hatten Reiter und Nieding auf eigene Kosten bereits in Auftrag gegeben, allerdings an Prof. Dr. Rainer Schröder von der Uni Berlin, der nun selbst in den Aufsichtsrat einziehen soll. Nun soll ein neues her.

Schule machen wird das Beispiel WGF mit Anlegeranwälten in wichtigen operativen Funktionen vermutlich nicht. „Die Umstände bei der WGF sind allein durch die Anleihekonstellation sehr speziell, außerdem gibt es hier zwar wirtschaftliches Versagen vor der Insolvenz, aber keine kriminellen Handlungen wie etwa bei S&K, so dass überhaupt die Eigenverwaltung möglich ist.“ Und eines bleibe ohnehin, sagt Beobachter: „Die Organstellungen, vor allem die des Vorstands, zu übernehmen, ist mutig. Doch allein die Diskussion zeigt, dass die Geschichte nicht unproblematisch ist. Selbst wenn rechtlich alles in Ordnung ist, bleibt für mich ein Störgefühl. Und deshalb hätte ich das nicht gemacht.“

Für Reiter ist das nicht nachvollziehbar. „Im Gegenteil: Wir sind uns sicher, dass es keine Interessenkonflikte gibt. Sonst hätten wir diesen Plan nicht entwickelt.“ Dennoch stellt Nieding klar: „Kommt das einzuholende Gutachten zu rechtlichen Bedenken, werden wir dem dadurch Rechnung tragen, dass eine andere Person anstatt meiner in das Gremium einzieht.“ (tap)

Die Beteiligten

Sanierungsvorstand: Bernd Depping (mit der Rechtskraft des Insolvenzplans ausgeschieden)

Sachwalter: Prof. Rolf Rattunde (Leonhardt, Berlin)

Treuhänder: Hoffmann Liebs Fritsch & Partner (auch für die Anleihestrukturen; jetzt ausgeschieden)

Gläubigerausschuss: Vorsitzender Markus Kienle (SdK), Daniela Bergdolt (DSW), Andreas Lang (Nieding + Barth), Daniel Vos (Göddecke), Theodor Stahmeyer (Unternehmensberater)

Vorstand: Pino Sergio, Paul Zimmer (Finanzvorstand), Prof. Dr. Julius Reiter (Risiko und Öffentlichkeitsarbeit)

Potenzieller Aufsichtsrat: Klaus Nieding (Vorsitz, Nieding + Barth), Prof. Dr. Rainer Schröder (Humboldt-Universität Berlin), Hans-Gerd Bullhorst (Anwalt)

 

 

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