JUVE: Frau Grauke, bis vor Kurzem hätte dieses Gespräch wohl mit Herrn Schmidt stattgefunden, der in Deutschland wie kein anderer das Gesicht der Kanzlei Weil Gotshal & Manges repräsentiert. Was ist passiert?
Britta Grauke: Passiert ist nichts, alles läuft nach Plan. Wie Sie wissen, bin ich 2022 Co-Managing-Partnerin geworden. Wir beschäftigen uns mit ausreichendem Vorlauf mit dem Ausscheiden von Prof. Dr. Schmidt. Ende 2025 kommt der Tag, der für die Kanzlei sicherlich eine Zäsur bedeutet. Weil wir wissen, dass der Tag kommt, ist der Übergang in die Zeit danach bereits heute in vollem Gang. Das ist gerade auch der Verdienst von Herrn Prof. Dr. Schmidt.
US-Kanzleien, die in Deutschland auf ähnliche Weise wie Weil Gotshal von Einzelpersonen geprägt waren, haben nach deren Ausscheiden nur schwer ihre Marktposition halten können. Warum ist Weil Gotshal anders?
Weil wir, wenn der Tag kommt, nicht an einer Klippe stehen. Wie bereits gesagt: Wir bereiten den Übergang vor. Wir planen für die Zukunft, nicht den Abstieg.
Wie machen Sie das?
Wir verstehen den Generationswechsel als Gesamtaufgabe der Sozietät. Als Co-Managing-Partnerin bin ich neben meinem Mentor Schmidt gefragt. Aber auch alle Partner sowie unsere jungen Talente ziehen mit. Letztere binden wir schon seit einiger Zeit viel intensiver in die strategische Geschäfts- und Markenentwicklung ein. Das Ziel ist, unsere jungen Leute visibler zu machen, ihnen Raum zu geben, nachhaltige Mandatsbeziehungen aufzubauen.
Die Geschäftszahlen sprechen eine andere Sprache. Seit 2020 ist der Umsatz der Kanzlei um 22,3 Prozent gesunken, Sie haben rund 10 Prozent ihrer Mannschaft verloren. Was ist passiert?
Die Zahlen, die wir berichten, sind eine ehrliche Momentaufnahme. Zum Jahresende machen wir einen harten Cut. Wir melden ihnen den Umsatz, der zum Stichtag bei uns angekommen ist. Offene Rechnungen melden wir nicht – auch wenn die Mandate über den Jahreswechsel laufen und vieles schon verdient ist. Der Plan ist, das kann ich Ihnen versichern, auch in Zukunft weiter unseren Umsatz zu steigern, das ist unser Geschäftsmodell. Dafür sind wir gut aufgestellt.
Und personell?
An der ein oder anderen Stelle haben wir uns flexibel auf den Markt eingestellt, der ja – wie Sie wissen – 2022 im Transaktionsgeschäft allgemein schlechter lief als 2021. Wichtig ist auch: Wir sind kein Durchlauferhitzer. Das heißt, wir setzen nicht auf kurze Verweildauer. Unsere Sicht ist: Weil Gotshal baut eigene Leute auf. Dieses Jahr haben sich sechs Referendare für eine Associate-Laufbahn bei uns entschieden. Wir haben insgesamt in zweistelliger Höhe neue Associates eingestellt und stellen weiter ein. Daneben ernennen wir regelmäßig Counsel und Partner aus unseren Reihen – echte Equity-Partner wohlgemerkt, der globalen Sozietät, die wir sind. Alle unsere Counsel waren vorher bei uns Associates. Wir können sagen: Die Leute, die mit uns gemeinsam den Weg eingeschlagen haben, verlieren wir in der Regel nicht.
Mit Lateral-Zugängen lief es nicht so gut. Wie sehen Sie den deutschen Lateral-Markt heute?
Es ist richtig, dass wir in den zurückliegenden Jahren nicht immer ein glückliches Händchen mit Quereinsteigern hatten. Es ist aber auch klar, dass es für viele Anwälte interessant ist und bleibt, Partner einer US-Kanzlei wie der unseren zu sein. Wir werden weiterhin Opportunitäten wahrnehmen. Wir brauchen Unternehmer. Wer zu uns kommt, sollte menschlich passen und gewillt sein, zu gestalten, etwas aufzubauen.
Gestalten und aufbauen? Das klingt, als würde Weil Gotshal mehr wollen als die Strategie der Vergangenheit fortzusetzen?
Wie ich schon sagte: Unser Geschäftsmodell ist natürlich umsatzorientiert. Dafür bieten wir global Dienstleistungen in den Bereichen Transaktionen, Litigation und Restrukturierung an. Auch in Deutschland haben wir zwei Standorte und keine großen Klumpenrisiken. In mauen Transaktionszeiten können wir mit Restrukturierung punkten. Aber wir sind immer auf der Suche, um unser Geschäft zu erweitern. Wir streben zum Beispiel an, in Deutschland eine Kartell- und Arbeitsrechtspraxis aufzubauen. Im Transaktionskontext sind hier Margen erzielbar, die uns interessieren.
Das klingt nach einem klaren Bekenntnis zum deutschen Markt. Und das obwohl die US-Kanzleien in Deutschland unter Druck stehen. Denn im deutschen Markt lassen sich nicht die Stundensätze realisieren, die Ihre amerikanischen Partner sich wünschen. Warum bleibt Deutschland in einem zersplitterten europäischen Markt interessant für die Sozietät?
Das liegt an den vielen interessanten Mandanten und Targets, die dieses Land zu bieten hat. Unser Erfolg spricht für uns: Wir waren an der Seite von Lonestar beim Sika-Deal in einem der größten deutschen Transaktionsmandate der letzten Jahre tätig und wir berieten Corestate bei seiner Restrukturierung. Gleichzeitig sind wir in große Eigenverwaltungsverfahren wie das des Alufelgenproduzenten Superior Industries eingebunden und betreuen bedeutende Litigation-Verfahren, insbesondere im Banken- und Insolvenzsektor. Für unsere globale Partnerschaft ist Deutschland als eine von drei Jurisdiktionen, in denen wir in Europa vertreten sind, sehr wichtig. Nirgends in Europa ist unser Geschäft als Satellit der US-Praxis gewachsen. Im Kern stand immer unser eigenes Geschäft. Das war so und wird so bleiben.