JUVE: Wie nutzen Sie aktuell ChatGPT in ihrem Arbeitsalltag?
Dr. David Schneeberger: Ich setze ChatGPT zur Unterstützung in administrativen und juristischen Aufgaben, für Brainstorming und Ideenfindung sowie zur Strukturierung und Optimierung von Texten ein. In meiner täglichen Praxis hilft es mir, effizienter zu arbeiten und die Qualität meiner Arbeit zu steigern. Es ermöglicht mir, schneller auf Anfragen zu reagieren und präzisere, gut strukturierte Antworten zu liefern.
Besonders nützlich ist die Fähigkeit von ChatGPT, heterogene Informationen schnell zu verarbeiten und in einer verständlichen Form darzustellen. Es dient mir als eine Art digitale Assistenz, die mich in meinem Berufsalltag nachhaltig unterstützt.
Bei welchen Aufgaben kann ChatGPT aktuell hilfreich sein?
ChatGPT kann im juristischen Kontext nur von Juristinnen und Juristen mit entsprechender Arbeitserfahrung eingesetzt werden. Es kann bei der Akquise, im Stakeholder Management, im Vertragsmanagement sowie bei der allgemeinen Rechtsberatung und in Rechtsstreitigkeiten unterstützen.
Komplexere Aufgaben erfordern eine umso kritischere Bewertung der Resultate. Darüber hinaus ist hier das Prompting aufwändiger und die Ergebnisse sind fehleranfälliger. Klar ist, dass ChatGPT stets nur unterstützend eingesetzt werden sollte.
Worauf achten Sie, wenn Sie der Anwendung eine Aufgabe stellen?
Ich überlege mir vorab, wie ich als Mensch diese lösen würde. Ich frage mich, welche Teilschritte ich beschreite und welche Informationen dafür jeweils benötigt werden. Ebenfalls überlege ich mir, welche Anforderungen ich an das Ergebnis stelle. Dieses Vorgehen hilft mir, das Potenzial von ChatGPT optimal zu nutzen und gute Prompts zu schreiben.
Welche Angaben sind für Prompts wichtig?
Die Qualität und Effektivität der Ergebnisse, die ChatGPT liefert, hängen stark von den Eingaben ab, die es erhält. Deshalb ist es wichtig, beim Erstellen von Prompts verschiedene Elemente genau zu berücksichtigen.
Erstens sollte das Ziel des Prompts klar definiert sein: Was ist der gewünschte Endzustand oder die Stoßrichtung der Anfrage? Zweitens muss die eigentliche Aufgabe klar formuliert sein. Dies beinhaltet den Auftrag oder das zu liefernde Ergebnis. Drittens, die Rolle von ChatGPT in der Aufgabenbearbeitung sollte überlegt werden. Viertens ist der Schreibstil von großer Bedeutung, besonders wenn die Ergebnisse an bestimmte Adressaten gerichtet sind. Fünftens sollte das gewünschte Format der Ausgabe spezifiziert werden.
Sechstens, der Kontext der Aufgabe ist entscheidend. Welche Rahmenbedingungen müssen berücksichtigt werden? Hierzu gehören gesetzliche Vorgaben, firmeninterne Richtlinien oder spezifische Anforderungen des Projekts. Siebtens, die Eingabe oder der Input: Welche Informationen sind notwendig, um die Aufgabe zu erfüllen?
Lässt sich ChatGPT zur Analyse von vorhandenen Dokumenten einsetzen?
Ja, es ist möglich, Dokumente hochzuladen und mit ChatGPT analysieren zu lassen. Allerdings bin ich in der Anwendung vorsichtig, da ich die Ergebnisse gegenüber internen und externen Stakeholdern verantworten muss. Ich möchte verstehen, wie die Ergebnisse zustande kommen, und obwohl die Qualität mit Updates zunimmt, kann ich mir Fehler nicht leisten. Die Nutzung zur Dokumentenanalyse ist daher eine Frage der Zeit und des Vertrauens in die Technologie.
Für welche Aufgaben eignet sich ChatGPT nicht?
ChatGPT ist nicht geeignet für juristische Tätigkeiten, die Nicht-Juristen erledigen, da spezifisches Fachwissen erforderlich ist. Es sollte auch nicht für Aufgaben mit sensiblen Daten eingesetzt werden, außer es erfolgt vorher eine Pseudonymisierung, zum Beispiel mit Balo.AI. Für komplexe Aufgaben oder Nischen-Rechtsgebiete, wo internes Wissen entscheidend ist, ist ChatGPT ebenfalls weniger geeignet. Jedoch erweitert sich das Anwendungsfeld kontinuierlich, und ChatGPT verbessert sich mit jedem Update.
Welche ersten Schritte empfehlen Sie, wenn eine Rechtsabteilung oder eine Kanzlei ChatGPT nutzen möchte?
Das Ziel hinter einer Einführung von ChatGPT sollte sein, die aktuellen Abläufe zu verbessern, die Qualität der eigenen Ergebnisse zu verbessern oder das Leistungsangebot auszubauen – oder alles hiervon. Wer dies für sich realisieren möchte, dem empfehle ich, zunächst eine Pilotphase mit ausgewählten und motivierten Mitarbeitern zu starten und Raum für Experimente zuzulassen. Damit diese Pilotphase zielführend ist, müssen die entsprechenden Mitarbeiter die eigenen Prozesse sehr gut kennen und kritisch hinterfragen können. Die Inkludierung in tägliche juristische Abläufe kann dabei entweder selbständig oder meiner Erfahrung nach sehr effizient mit professioneller Unterstützung und maßgeschneiderten Prompts erfolgen. Hierzu konnte ich bereits einige Organisationen erfolgreich beraten.
Das Gespräch führte Raphael Arnold.