Das Urteil geht auf ein Rechtsmittel des Datenschutzaktivisten Max Schrems beim Obersten Gerichtshof (OGH) in Wien zurück, in dem das Gebaren der Plattform Facebook und damit einer irischen Tochter des US-Konzerns Meta im Zentrum steht. Die Luxemburger Richter zogen darin in zwei Punkten Grenzen für das Verarbeiten personenbezogener Daten (Gz. C-446/21).
Daten nicht minimiert
Die Kammer entschied, dass die EU-Tochter von Meta aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) personenbezogene Daten nicht zeitlich unbegrenzt und unterschiedslos vorhalten darf. Dies widerspreche dem Grundsatz, das Verarbeiten von Daten minimal zu halten. Darüber hinaus stellten die Richter klar, dass Schrems’ öffentlich bekannte Homosexualität kein Freischein ist, anderweitig erlangte personenbezogene Angaben zu seiner sexuellen Orientierung zu verarbeiten.
Meta nutzt personenbezogenen Daten, um zielgerichtet Werbung zu platzieren. Dabei greift das Unternehmen auf Informationen zurück, die von der Plattform Facebook selbst und von Dritten stammen und die es über den Einsatz von Cookies, Social Plugins und Pixel erlangt.
Ein Ende dieser Praxis hätte „weitreichende Auswirkungen auf die Digitalwirtschaft, insbesondere auf Unternehmen, die personenbezogene Daten für zielgerichtete Werbung nutzen“, erklärte der deutsche Branchenverband Bitkom in einer Mitteilung. Tatsächlich dürfte die Vorabentscheidung die rechtliche Unsicherheit für Unternehmen erhöhen, denn konkrete Vorgaben zu Fristen und zum Charakter der Daten unterblieben in dem Urteil.
In zwei Etappen beantwortet
Der OGH legte in Luxemburg ursprünglich vier Fragen vor (Gz. 6 Ob 56/21k), von denen der EuGH zwei bereits in einem weiteren Verfahren zwischen Meta und dem deutschen Bundeskartellamt beantwortete (Gz. C-252-21). Darin ging es unter anderem um das Zusammenführen nutzerbezogener Daten aus unterschiedlichen Quellen.
Vertreter Max Schrems
Katharina Raabe-Stuppnig (Wien); Associates: David Leopoldi-Wieshaupt, Christoph Auer (beide Rechtsanwaltsanwärter; alle Datenschutz-/IT-Recht)
Vertreter Meta Platforms Ireland
WilmerHale (Frankfurt): Prof. Dr. Hans-Georg Kamann (EU-Recht/Regulierung), Dr. Martin Braun (Datenschutzrecht); Associates: Leonie Hesse, Felix Boos (beide EU-Recht/Regulierung, beide Berlin)
Knoetzl Haugeneder Netal (Wien): Bettina Knötzl, Katrin Hanschitz (beide Konfliktlösung)
Schönherr (Wien): Dr. Andreas Natterer, Sara Khalil (beide Konfliktlösung), Dr. Günther Leissler (Datenschutzrecht)
Generalanwalt, Luxemburg
Athanasios Rantos
Europäischer Gerichtshof, Luxemburg
4. Kammer: Dr. Constantinos Lycourgos (Kammerpräsident), Dr. Lucia Serena Rossi (Berichterstatterin), Dr. Octavia Spineanu-Matei, Jean-Claude Bonichot, Prof. Dr. Siniša Rodin (alle Richter)
Hintergrund: Meta setzt in der Auseinandersetzung um das Verarbeiten personenbezogener Daten seit Herbst 2018 auf zwei österreichische Kanzleien: Schönherr und Knoetzl Haugeneder Netal. In diese Zusammenarbeit bringt Schönherr insbesondere das datenschutzrechtliche Know-how des Teams um Leissler ein.
In den ersten Verfahrensschritten war in der seit 2014 laufenden Causa ein Team um den Konfliktlösungsspezialisten Dr. Nikolaus Pitkowitz mandatiert, der inzwischen in der Kanzlei Pitkowitz & Partner tätig ist. Die Koordination der Verfahren des US-Konzerns in den verschiedenen EU-Ländern liegt nach JUVE-Informationen bei einem US-Team von White & Case.
WilmerHale stieß zur Vertreterriege aufgrund des Verfahrens zwischen Meta und dem Bonner Bundeskartellamt, in denen ein Frankfurter Team um Kamann und Braun gemeinsam mit Latham & Watkins mandatiert war. Im Hintergrund war im aktuellen Verfahren zudem Henrik Saugmandsgaard Øe als Berater für Meta tätig. Seit seiner Zeit als Generalanwalt beim EuGH von 2015 bis 2021 ist er Partner bei der dänischen Kanzlei Gorrissen Federspiel in Kopenhagen.
Mandat fortgeführt
Am OGH in Wien vertrat im Sommer 2021 noch die Kanzlei Lansky Ganzger den Datenschutzaktivisten Schrems. Dort war Raabe-Stuppnig Equity-Partnerin und gründete dann Ende 2021 eine eigene Kanzlei. Das Mandat behielt sie auch in ihrer neuen Kanzlei bei.
Für die Bundesregierung in Wien waren an dem Verfahren Dr. Albert Posch, Dr. Julia Schmoll, Dr. Claudia Gabauer, Dr. Gerhard Kunnert und Dr. Eckhard Riedl beteiligt. Sie sind alle im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts tätig.