Seit 2016 hatte sich der Streit zwischen der ehemaligen Politikerin und Facebook hingezogen. Damals wurden auf Facebook unter einem Artikel zur Grünen-Position „Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben“ mit einem Foto Glawischnigs beleidigende Äußerungen gepostet. Unter anderem wurde die Politikerin als „miese Volksverräterin“ und „korrupter Trampel“ bezeichnet. Glawischnig forderte das soziale Netzwerk daraufhin auf, den Post zu löschen, was Facebook jedoch nicht tat.
Im Dezember 2016 erwirkte Glawischnig beim Handelsbericht Wien eine Einstweilige Verfügung, die nicht nur das bestimmte Posting umfasste, sondern nach der auch sinngleiche Postings weltweit gelöscht werden sollten. Facebook sperrte daraufhin lediglich in Österreich den Zugang zum ursprüngliche Post. In der Revision ging das Verfahren schließlich an den Obersten Gerichtshof (OGH; 6 Ob 116/17b), der es wiederum dem EuGH zur Auslegung der E-Commerce-Richtlinie vorlegte.
Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrechte
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr betrifft das Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten auf Informationsfreiheit und Meinungsfreiheit einerseits und dem Schutz von Persönlichkeitsrechten andererseits. Entscheidend war unter anderem die Frage, ob ein nationales Gericht einen Provider dazu verpflichten kann, bestimmte Postings nicht nur im jeweiligen Mitgliedsland, sondern europa- und weltweit zu löschen. Und ob er verpflichtet werden kann, nicht nur das Original, sondern auch wort- und sinngleiche Postings zu suchen und zu entfernen.
Die Entscheidung ist insofern weitreichend, als sie nicht nur Facebook, sondern auch andere soziale Netzwerke betrifft, die sich künftig bei Klagen nicht mehr auf ihren Hauptsitz in den USA oder in Irland berufen können. Glawischnig selbst bezeichnete das Urteil als „historischen Erfolg für den Persönlichkeitsschutz gegen Internet-Giganten“.
Neben dem Zivilverfahren hatte Glawischnig auch eine Strafanzeige wegen übler Nachrede und Beleidigung gestellt. Das Verfahren wurde jedoch 2018 vom OLG Wien eingestellt.
Vertreter Facebook Ireland:
Wolf Theiss (Wien): Dr. Georg Kresbach (Federführung); Associates: Anja Tauchen (beide IP/IT), Paulina Pomorski, Bernhard Schmidt (beide Datenschutz), Martin Weber (IP/IT; letztere zwei Rechtsanwaltsanwärter)
White & Case (Brüssel): Kai Struckmann (EU-Recht)
Vertreter Dr. Eva Glawischnig-Piesczek
Kanzlei Maria Windhager (Wien): Dr. Maria Windhager, Wolfgang Niklfeld (beide Medienrecht)
Europäischer Gerichtshof, Dritte Kammer
Alexandra Prechal, (Präsidentin), Jiří Malenovský (Berichterstatter), François Biltgen, Carl Gustav Fernlund, Lucia Serena Rossi (alle Richter)
Generalanwalt beim EuGH
Dr. Maciej Szpunar
Hintergrund: Beide Berater stehen ihren Mandanten bereits seit Beginn des Verfahrens zur Seite. Windhager vertritt neben Glawischnig auch weitere Politiker der österreichischen Grünen. So stand sie 2016 Alexander van der Bellen im Anfechtungsverfahren zur Bundespräsidentenwahl zur Seite. Die Medienrechtlerin ist seit 2007 in eigener Kanzlei in Wien tätig. Wolfgang Niklfeld hingegen hatte den Datenschutzaktivisten Maximilian Schrems gegen Facebook vertreten. Er war bis zur Nationalratswahl als Substitut in Windhagers Praxis tätig, kehrt jedoch nun als Klubdirektor in den Grünen Parlamentsklub zurück, nachdem der Partei der Wiedereinzug ins Parlament gelungen ist.
Für die IP-Praxis von Wolf Theiss ist Facebook nicht die einzige Mandantin aus dem Silicon Valley. Auch Google und Youtube gehören zu den Klienten des renommierten Partners Dr. Georg Kresbach. Er vertritt Facebook laufend zu Fragen der Haftung für rechtswidrige Inhalte, die von Nutzern auf auf der Plattform gepostet werden. Auch im Zusammenhang mit Markenrechtsveletzungen ist er für das Unternehmen tätig.
Facebook lässt sich in Österreich von mehreren Kanzleien vertreten. So wurden in den Verfahren gegen Schrems sowohl Graf & Pitkowitz als auch Schönherr für den Internetriesen aktiv. International setzt das Unternehmen regelmäßig auf White & Case. Der Brüsseler Partner Struckmann war zuletzt im Sammelklagenverfahren vor dem EuGH erfolgreich.