Der Mandatsbescheid der Finanzmarktaufsicht (FMA), der das Moratorium anordnet, sieht vor, dass die HETA bis 31. Mai 2016 keine Schulden mehr begleichen muss. Dabei geht es nach Schätzungen um knapp zehn Milliarden Euro. Betroffen sind etwa vorrangig besicherte Anleihegläubiger und Inhaber von Schuldscheindarlehen.
Beide Kanzleien argumentieren, dass der FMA-Bescheid nicht auf einer korrekten gesetzlichen Grundlage erfolgt sei. Die FMA handelte im Rahmen des seit Anfang des Jahres geltenden Bundesgesetzes über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG). Dies wiederum beruht auf der EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD). Die Richtlinie regelt jedoch nur die Abwicklung von Banken. Die HETA ist aber gar keine Bank, weil sie mit 30.10.2014 ihre Bankkonzession verloren hat. Das BaSAG legt allerdings fest, dass die in der BRRD geregelten Instrumente und Befugnisse auch auf die HETA anzuwenden sind.
Nach Auffassung der federführenden Wolf Theiss-Partner Dr. Claus Schneider und Dr. Kurt Retter verstößt das BaSAG somit gegen Europarecht. „Die Einbeziehung der HETA basiert nicht auf einer europarechtlich vorgegebenen Pflicht, sondern wurde vom österreichischen Bundesgesetzgeber eingefügt“, schreiben sie im Client Alert der Kanzlei. „Die Europarechts- und Verfassungskonformität dieser Bestimmung wird von den Höchstgerichten zu prüfen sein.“
FMA-Bescheid mit Unschärfe
Zudem argumentiert die Kanzlei, dass das BaSAG beziehungsweise der FMA-Bescheid Unschärfen bei dem Begriff der „besicherten Verbindlichkeiten“ aufweise. Besicherte Verbindlichkeiten werden bei der Abwicklung gemäß dem BaSAG nicht berücksichtigt. Das heißt, sie sind auch vom Schuldenmoratorium ausgeschlossen. Nach Ansicht von Wolf Theiss vertritt die FMA in ihrem Bescheid jedoch die Auffassung, „dass Verbindlichkeiten, für die persönliche Sicherheiten wie Garantien und (Ausfall-)Bürgschaften bestehen“, nicht als besicherte Verbindlichkeiten nach dem BaSAG gelten. Mithin seien sie vom Schuldenmoratorium umfasst. Dies beträfe nach Schlussfolgerung der Kanzlei dann auch Verbindlichkeiten, die mit der gesetzlichen Ausfallbürgschaft des Landes Kärnten gedeckt sind. „Dies würde zur Gesetzeswidrigkeit des Mandatsbescheids führen“, meinen die Wolf Theiss-Partner.
Schließlich ziehen sie ebenso wie Dorda Brugger Jordis das Insolvenzrecht als Vergleichsmaßstab für den FMA-Bescheid heran. Nach dem BaSAG dürfen Gläubiger in der Abwicklung nicht schlechter gestellt werden als in einer Abwicklung nach der Insolvenzordnung. Nach dem Insolvenzrecht könnten sich Gläubiger bei Zahlungsunfähigkeit der HETA beim Ausfallbürgen Land Kärnten schadlos halten. Dies verbiete das Moratorium jedoch ausdrücklich. „Wir sind daher der Meinung, dass die Gläubiger in der jetzigen Situation direkt auf den Bürgen zurückgreifen können müssen“, so Dorda-Partner Dr. Andreas Mayr. „Das Moratorium kann nicht den Zugriff auf Dritte verbieten.“
Kanzleien nutzen Gelegenheit
Dass beide Kanzleien in breit versendeten Client Alerts zum aktiven Vorgehen gegen die HETA-Abwicklung vorgehen, stößt bei einigen Marktbeobachtern auf Unverständnis. So sei man sich in Europa moralisch und politisch einig, dass sich die Gläubiger von Banken heutzutage an der Sanierung von in Schieflage geratenen Instituten beteiligen müssten, anstatt – wie bislang – alles dem Steuerzahler aufzubürden.
Wolf Theiss und Dorda Brugger Jordis nutzen dagegen rechtliche Argumente, um ihre wirtschaftliche Position als Gegner der Abwicklungsmaßnahmen zu stärken. Denn anders als die allermeisten österreichischen Großkanzleien sind sie mit Blick auf das Institut in den vergangenen Jahren nicht auf Seiten des österreichischen Staates oder der Hypo/HETA aufgetreten, unterliegen nach ihrer Auffassung somit keinen Interessenkonflikten. Sie sind daher schon für diverse nationale und internationale Gläubiger mit Rechtsmitteln gegen das im vergangenen Jahr erlassene Hypo-Sondergesetz (HaaSanG) vorgegangen. Ein Entscheid über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wird in der Herbstsession des Verfassungsgerichtshofs erwartet. (Jörn Poppelbaum)