JUVE: Sie sind seit September 2016 CEO der Wiener Börse und der Börsenholding CEESEG. Wie sehen die mittelfristigen Ziele aus?
Dr. Christoph Boschan: Meine Vorstandskollegen und ich haben von Tag eins an einen Strategieprozess gestartet. Für unsere vier Hauptertragsquellen aus Handel, Marktdatengeschäft, Produktion von Indices und IT-Dienstleistungen haben wir uns einen Plan zur Weiterentwicklung überlegt. Wir beabsichtigen, das EBT in den nächsten vier Jahren um ein Drittel zu steigern. Dies ist vor allem eine Herausforderung, weil der Markt nicht wächst und wir einem Regularientsunami ausgesetzt sind.
Welche Schritte dahin haben Sie bisher eingeleitet?
Einen wichtigen Service für den Kunden haben wir schon umgesetzt: Es sind nun auch 130 Titel des Dow Jones und der Nasdaq sowie DAX-Werte an der Wiener Börse handelbar. Stück für Stück sollen weitere Märkte folgen.
Welche Märkte stehen oben auf der Wunschliste?
Spanische, französische Werte wollen wir zum Beispiel ebenfalls in den Handel einbeziehen. Generell ist alles interessant, was liquide ist und woran österreichische Anleger ein Handelsinteresse haben.
Sie waren in der Vergangenheit viele Jahre als Börsenmakler tätig und zuletzt CEO der Börse Stuttgart. Wie kommen Ihnen die Erfahrungen aus dem deutschen Börsemarkt zugute?
Börsenwesen ist ein hochinternationales Geschäft, die Handelsabläufe sind überall auf der Welt gleich. Das Xetra-System hier an der Nationalbörse basiert technisch auf der gleichen Basis wie bei der Deutschen Börse. Auch das Recht ist zu 90 Prozent durch die EU harmonisiert.
Welche Rolle spielt es bei Ihrer Karriere, dass Sie Jurist sind?
Ich war unter anderem drei Jahre als Inhousejurist bei der Börse Berlin tätig und hatte eine Anwaltszulassung in Deutschland. Zum Jurastudium kam ich ursprünglich, weil es mir die Freiheit ließ, weiter als Börsenmakler aktiv zu sein. Ich habe dann in Börseregulierung promoviert. Dies in Kombination mit der Fähigkeit, die Praxis des Börsehandels zu beherrschen, hat meine Karriere extrem befeuert. Ich kann allen Juristen nur raten, sich einem Praxisthema zu widmen.
Das Gespräch führte Claudia Otto