Studie

Kanzleien als Arbeitgeber für Frauen nicht attraktiv genug

Autor/en
  • Raphael Arnold

Kanzleien kommen bei Jus-Studentinnen nur bedingt für einen Berufseinstieg als Juristin in Betracht. Lediglich 37 Prozent von ihnen zielen auf eine Karriere als Anwältin ab. Das ergab die Studie ‚Vienna Law Students Monitor 2023‘.

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Für Kanzleien ist das als Arbeitgeber ein Dilemma. Denn inzwischen sind weit mehr als die Hälfte der Jus-Studierenden Frauen. Im Wintersemester 2022/23 lag ihr Anteil bei 58 Prozent, vor 20 Jahren waren es 51 Prozent. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Studierenden seit einigen Jahren rapide, so die Zahlen von Statistik Austria.

Studentinnen am Juridicum in Wien interessieren sich deutlich weniger für eine Kanzleilaufbahn als ihre Kommilitonen. Grafik: Franziska Eismann / JUVE Verlag

Konkurrenz für Kanzleien bilden die Justiz, die gut 24 Prozent der Studentinnen als gewünschte Einstiegsbranche nennen, sowie Interessenvertretungen mit 14 Prozent; zusammen überflügeln sie knapp die Attraktivität der Anwaltschaft. Auftraggeber des Vienna Law Students Monitor war der Personaldienstleister Lawyers & More gemeinsam mit der Fakultätsvertretung Jus an der Universität Wien.

Die Zeit als Anwärterin oder Anwärter in einer Kanzlei ist nach dem Studium eigentlich für viele ein weiterer Teil der Ausbildung – für Studierende wie für Arbeitgeber. Und tatsächlich halten die Männer unter den Jus-Studierenden einen Berufseinstieg mit dem Ziel Anwaltschaft weit höher im Kurs. Über 48 Prozent gaben Kanzleien als Wunscharbeitgeber an. Bei ihnen kommt die Justiz nur auf 13 Prozent, alle anderen Berufsfelder lediglich auf einstellige Prozentzahlen.

Ein Grund für das geringere Interesse der Studentinnen: Sie legen beim Start ihrer Karriere auf zwei Dinge deutlich mehr wert als ihre Kommilitonen – berufliche Sicherheit und Flexibilität von Zeit und Ort. Das liegt mit einer Laufbahn als Anwärterin und Anwältin in vielen Kanzleien weiterhin über Kreuz.

Die Erwartungen von Nachwuchsjuristinnen und -juristen unterscheiden sich vor allem in zwei Punkten: Sicherheit und Flexibilität. Grafik: Franziska Eismann / JUVE Verlag

Bernhard Breunlich, Geschäftsführer der Personalberatung Lawyers & More und Auftraggeber der Studie, führt den Unterschied auf ein sehr traditionelles Verständnis von Elternschaft zurück, das noch immer weit verbreitet sei – selbst unter den Studierenden an der Universität Wien. Für ihn erklärt dies das hohe Interesse der Hochschülerinnen an der Justiz und Interessenvertretungen.

Auch die niedrigeren Erwartungen der Studentinnen hinsichtlich des Einstiegsgehalts gehen für Breunlich auf das Rollenverständnis zurück. Die Mehrheit von ihnen rechnet zum Berufsstart mit einem Verdienst von rund 2.500 bis 3.000 Euro, die Mehrheit der Studenten mit 3.000 bis 3.500 Euro. Dieser Unterschied gehört für Breunlich zu den überraschenden Ergebnissen der Studie.

Nachwuchsjuristinnen gehen von einem geringeren Einstiegsgehalt aus als männliche Berufsanfänger. Grafik: Franziska Eismann / JUVE Verlag

Tatsächlich taugen auch strukturelle Vorgaben der Rechtsanwaltskammern dazu, Nachwuchsjuristinnen von einer Kanzleikarriere abzuschrecken. Einerseits liegen Versicherungszeiten im verpflichtenden staatlichen Pensionssystem brach, wenn Juristinnen und Juristen später als Anwältinnen oder Anwälte arbeiten und ins Versorgungssystem der Kammern einzahlen; dazu zählen etwa Zeiten als Universitätsassistenten. Andererseits kommen Anwältinnen die Kindererziehungszeiten im gesetzlichen Pensionssystem nicht zugute. In beide Richtungen fehlt die Durchlässigkeit.

Gabriele Krenn

Die frühere Präsidentin der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer, Dr. Gabriele Krenn, kritisierte die Versorgungseinrichtungen der Kammern bereits Anfang 2023 als ein „familienfeindliches und unflexibles und für viele unangemessen belastendes System“. Sie trat auch beim Anwaltstag in Linz im November 2023 dafür ein, diese in die gesetzliche Pensionsversicherung zu übertragen, unter anderem um für Durchlässigkeit zu sorgen. Zudem seien die Versorgungseinrichtungen für die Kammermitglieder inzwischen grundsätzlich finanziell nachteilig. Dass einige von ihnen sehr klamm sind, verhindere Solidarleistungen wie Kinderziehungszeiten, die sich auf die Pensionen anrechnen lassen.

Unternehmen kaum auf dem Radar

Bernhard Breunlich

Neben den Erwartungen beim Einstiegsgehalt überraschte Breunlich von Lawyers & More, dass die Hochschülerinnen und Hochschüler Unternehmen kaum als zukünftige Arbeitgeber wahrnehmen. Nur knapp 7 Prozent der Studentinnen und der Studenten führten sie in der Umfrage überhaupt als erste Karriereoption an. Dabei hält der Chef des Personalvermittlers die Verdienstmöglichkeiten durchaus für gut: Juristinnen und Juristen mit vier bis fünf Jahren Berufserfahrung könnten bei steiler Karriereentwicklung durchaus auf ein Jahresgehalt von 90.000 bis 100.000 Euro kommen.

Hintergrund

Im ‘Vienna Law Students Monitor 2023’ ließen die Personalberatung Lawyers & More und die Fakultätsvertretung Jus an der Universität Wien erstmals auswerten, wie zufrieden Studierende am Juridicum mit ihren Berufsperspektiven sind. Der Studie liegen 863 Online-Interviews vom Oktober 2023 zu Grunde. 73 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen, 26 Prozent Männer und 1 Prozent divers oder ohne Angabe. 

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