In dem zugrundeliegenden Fall sah das Optionsprogramm eine vierjährige Ansparperiode (sog. Vesting-Periode) vor, innerhalb derer das Ansparen von Optionen pausierte, wenn der Berechtigte ohne Gehaltsanspruch von der Arbeitsleistung befreit war (z.B. bei Elternzeit oder bei Arbeitsunfähigkeit außerhalb der Entgeltfortzahlung). Darüber hinaus sollten die bereits gevesteten Optionen verfallen, wenn das Anstellungsverhältnis des Berechtigten vor einem Ausübungsereignis durch Eigenkündigung des Berechtigten endete oder spätestens zwei Jahre nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Das BAG erklärte beide Verfallklauseln für unwirksam. Im vorliegenden Fall seien die virtuellen Optionsrechte Teil des Vergütungspakets und damit eine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung. Sie können daher nicht ohne Weiteres durch einseitige Verfallklauseln wieder entzogen werden. Der sofortige Verfall der gevesteten Optionen bei Eigenkündigung des Berechtigten stelle eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, da er Kündigungen erschwere und auch dann eingreife, wenn der Berechtigte aufgrund einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers kündige. Auch die zweijährige Verfallfrist nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses benachteilige den Berechtigten unangemessen, da die Optionen doppelt so schnell verfallen, wie sie gevestet wurden und daher die Zeit, die der Berechtigte mit dem Vesting verbracht habe, nicht ausreichend berücksichtigt werde.
Die Entscheidung des BAG hat weitgehende Auswirkungen auf die Gestaltung virtueller Beteiligungsprogramme. Arbeitgeber sollten bestehende Programme überprüfen und anpassen. Auch wenn die Einordnung als Vergütung die Attraktivität virtueller Optionsrechte mindern kann, bestehen weiterhin zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten zur Schaffung von Mitarbeiteranreizen:
- Vesting unabhängig von der Arbeitsleistung: Um zu vermeiden, dass die virtuellen Optionsrechte überhaupt als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung eingestuft werden, könnten Arbeitgeber vorsehen, dass das Vesting nicht von der Arbeitsleistung abhängt und daher auch für Zeiten ohne Gehaltsanspruch gewährt wird (z.B. bei Elternzeit oder bei Arbeitsunfähigkeit außerhalb der Entgeltfortzahlung). In diesem Fall besteht für Arbeitgeber ein erhöhter Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Ausgestaltung des Programms (inklusive Bad-Leaver-Klauseln und De-Vesting).
- Bad-Leaver-Klauseln: Noch unklar ist die Zulässigkeit sonstiger Bad-Leaver-Klauseln (z.B. bei verhaltensbedingter und/oder außerordentlicher Kündigung des Arbeitgebers). Das BAG hat bisher nur die Klausel zum sofortigen Verfall der gevesteten Optionen bei Eigenkündigung des Berechtigten beanstandet. Noch offen ist, ob eine unangemessene Benachteiligung auch anzunehmen ist, wenn Verfallklauseln hinsichtlich der Kündigungsgründe differenzieren und insbesondere danach unterscheiden, aus welcher Sphäre der Anlass zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses stammt (z.B. Verfall aufgrund einer verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitgebers wäre zulässig, wohingegen es bei einer betriebsbedingten Kündigung unangemessen benachteiligend wäre).
- De-Vesting entsprechend der Vesting-Periode: Zulässig dürften aber Regelungen sein, wonach virtuelle Optionen nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses innerhalb einer Zeit verfallen, die der Vesting-Periode entsprechen. Das BAG hat insofern festgestellt, dass der Arbeitgeber bei Ausscheiden des Berechtigten aus dem Unternehmen grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an derartigen Verfallfristen hat. Der Berechtigte werde lediglich durch das beschleunigte De-Vesting gegenüber der Vesting-Periode unangemessen benachteiligt.
- Event-based-Vesting: Zulässig dürfte es auch sein, dass ein Teil der virtuellen Optionen nicht zeitbasiert, sondern bei Eintritt eines bestimmten Exit-Ereignisses und der zusätzlichen Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis besteht, gevestet wird. Auch in diesem Fall dürften diese Optionen nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung eingestuft werden und dem Arbeitgeber ein erhöhter Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Ausgestaltung des Programms zukommen.
- Exponentielles Vesting: Alternativ können Arbeitgeber vorsehen, dass die gevesteten Optionen mit der Zeit immer stärker steigen, beispielsweise im ersten Jahr nur 10%, im zweiten Jahr 20%, im dritten Jahr 30% und im vierten Jahr schließlich 40%. Der Berechtigte würde also den Großteil der virtuellen Optionen erst in den späteren Zeiten der Betriebszugehörigkeit erdienen. Dies hat gegenüber dem normalen Vesting den Vorteil, dass ein größerer Anreiz für die Mitarbeiterbindung besteht.
- Verfall noch nicht gevesteter Optionen: Die Entscheidung des BAG bezieht sich ausschließlich auf den Verfall bereits gevesteter Optionen. Regelungen, die den Verfall noch nicht gevesteter Optionen vorsehen, dürften daher weiterhin zulässig sein.
- Abkoppelung der Beteiligungsprogramme vom Anstellungsverhältnis: Schließlich besteht auch die Möglichkeit zur Abkoppelung der Beteiligungsprogramme vom Anstellungsverhältnis, indem diese beispielsweise durch eine andere Konzerngesellschaft und nicht durch den Vertragsarbeitgeber gewährt werden, ggf. sogar durch eine ausländische Konzerngesellschaft nach ausländischem Recht. Deutsches AGB-Recht samt der oben dargestellten Rechtsprechung sind dann nicht mehr anwendbar. Es gelten aber jeweils die Vorgaben der fremden Rechtsordnung.
Einordnung
Mit seinem Urteil stößt das BAG an die Grenzen wirtschaftlicher Realität in der Start-up-Welt. Die Entscheidung mag juristisch konsequent sein, verkennt jedoch, dass virtuelle Optionen keine klassischen Lohnbestandteile, sondern unternehmensstrategische Anreizsysteme in VC-finanzierten Unternehmen sind – ausgerichtet auf das gemeinsame Hinarbeiten zu einem Exit. Künftig wird es daher umso wichtiger sein, Beteiligungsprogramme so zu strukturieren, dass sie sowohl arbeitsrechtlichen Vorgaben als auch den marktüblichen Erwartungen der Venture-Capital-Branche gerecht werden.