Regulierung als Waffe

Daimler gegen Scania: Neuartiger Streit mit Quinn und Posser Spieth

Vordergründig geht es um CO²-Verstöße, aber dieser Prozess zwischen Daimler Truck und Scania könnte auch die Geburtsstunde einer neuen Ära von Litigation sein: Es ist der Versuch, öffentlich-rechtliche Verstöße privatrechtlich justiziabel zu machen. Das LG Mannheim macht da nicht mit. Am Ende wird wohl der Bundesgerichtshof entscheiden müssen.

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Es ist der erste Fall seiner Art (Az. 14 O 68/24). Im Wettbewerb zwischen Herstellern von Nutzfahrzeugen wie Daimler Truck und der VW-Tochter Scania spielte das sogenannte Typengenehmigungsrecht bislang keine wesentliche Rolle. Beim Landgericht Mannheim lotet Daimler Truck nun einen neuen Weg aus, um das zu ändern. Das Typengenehmigungsrecht soll demnach als Marktverhaltensregel zivilrechtlich auch zwischen konkurrierende Marktteilnehmern Geltung haben – mit möglicherweise weitreichenden Folgen.

Konkret lautet der Vorwurf: Scania habe sich gegenüber Daimler Truck und anderen Nutzfahrzeugherstellern einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil verschafft. Die in den Niederlanden von der dort ansässigen Typgenehmigungsbehörde Rijksdienst voor Wegverkee (RDW) gewonnenen CO²- und Verbrauchswerte seien irreführend. Sie legten die Verwendung von Luftwiderstandswerten nahe, aus denen 3 bis 5 Prozent zu niedrige CO²-Werte folgten, die die Fahrzeuge insbesondere im Zusammenhang mit der Lkw-Maut attraktiver machen. Das Gericht müsse den Vertrieb bestimmter Nutzfahrzeuge wettbewerbsrechtlich untersagen und Daimler Truck zudem Schadensersatz zusprechen.

Gericht sieht keine Basis für Schadensersatz

Das erstinstanzlich zuständige Gericht sieht das anders. Es verweist in seinem Urteil, das JUVE vorliegt, auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des Typengenehmigungsrechts. Dieses mache detaillierte Angaben zum anzuwendenden Prüfrahmen, aber nicht zu den CO²- und Verbrauchswerten, die über den Prüfrahmen erhoben und in den Fahrzeugdokumenten festgehalten werden. Für das Typengenehmigungsrecht sei nur entscheidend, dass der Prüfrahmen inklusive der Luftwiderstandswerte als rechtskonforme Methode zertifiziert ist, was hier der Fall sei. Eine Basis für eine zivilrechtliche Unterlassung sowie für Schadensersatz ergebe sich daraus nicht.

Das Typengenehmigungsrecht sei keine Marktverhaltensvorschrift, aus der, wie etwa in der Werbung, lauterkeitsrechtliche Ansprüche zwischen Wettbewerbern resultierten, so das Gericht. Mit den CO²- und Verbrauchswerten der Lkw sei nicht geworben worden. Wenn Zweifel an den Prüfverfahren bestehen, müsse sich Daimler Truck an die zuständigen Marktaufsichtbehörden in Deutschland oder den Niederlanden wenden. Nach JUVE-Informationen hat Daimler Truck solche Behördenverfahren ebenso eingeleitet – ein Hinweis darauf, dass der Stuttgarter Hersteller es ernst meint.

Diesel 2.0: Wettbewerb mit Regulierungsrecht

Zehn Jahre nach dem Dieseldrama im deutschen Rechtsmarkt zeigt das Verfahren eine weitere Eskalationsstufe im zivilgerichtlichen Umgang mit dem Typengenehmigungsrecht auf. Im Dieselfall hatte Volkswagen argumentiert, dass mit der erteilten Typengenehmigung auch die Abschalteinrichtung rechtskonform sei, die verbaut worden war, um gesetzlich vorgegebene Emissionswerte einzuhalten. Der Bundesgerichtshof war dieser Argumentation damals nicht gefolgt. Er hatte vielmehr deliktrechtlichen Ansprüchen von Kunden gegenüber den Herstellern ihrer Autos zugestimmt.

Darauf baut auch Daimler Truck, muss aber vorerst eine Niederlage einstecken: Mit seinem Urteil hat das Gericht verhindert, dass Wettbewerber sämtliche Regeln des Regulierungsrechts als Marktverhaltensregeln auch vor Zivilgerichten direkt einklagen können. Daimler Truck scheint aber entschlossen, das Typengenehmigungsrecht stärker im Wettbewerb einzusetzen – und auch daran, das europäische Regulierungsrecht insgesamt einer solchen Diskussion zu öffnen. Es gibt aber auch Stimmen, die vor einer solchen Entwicklung warnen: An deutschen Zivilgerichten mangele es schlichtweg an den Kompetenzen, öffentlich-rechtliche Themen adäquat zu bewerten.

Die Vertreter im Überblick

Marcus Grosch

Vertreter Daimler Truck
Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan (München): Dr. Marcus Grosch (Litigation)

Burkhard Wollenschläger

Vertreter Scania
Posser Spieth Wolfers & Partners (Berlin): Dr. Burkhard Wollenschläger; Associates: Martha Wendt, Manav Chadha (alle Öffentliches Wirtschaftsrecht)
Neon (Berlin): Dr. Annette Schwab; Associates: Dr. Nicolai Wolf, Antje Zimmermann (alle Wettbewerbsrecht)

Landgericht Mannheim, 14. Kammer
Thomas Schmidt (vorsitzender Richter)

Hintergrund: Daimler Truck hat sich mit Quinn Emanuel-Partner Grosch einen der profiliertesten deutschen Prozessrechtler an die Seite geholt. Nach JUVE-Informationen wurde er vor Gericht von rund zehn Inhouse-Vertretern des Lkw-Herstellers begleitet. Im Hintergrund hat dem Vernehmen nach White & Case-Partner Prof. Dr. Norbert Wimmer zu den regulierungsrechtlichen Fragen und behördlichen Verfahren beraten.

Annette Schwab

Die VW-Tochter Scania setzte in dem zivilrechtlichen Verfahren auf Posser Spieth. Die öffentlich-rechtliche Spezialkanzlei berät VW, aber auch Audi und Porsche seit vielen Jahren im Dieselfall zu allen regulatorischen Themen, insbesondere zum Typengenehmigungsrecht. Partner Wollenschläger arbeitete für die wettbewerbsrechtlichen Themen im Scania-Verfahren eng mit Neon-Partnerin Schwab aus Berlin zusammen.

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