In dem Dokument versucht die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer eine Gratwanderung: eine Ehrenrettung des DFB, der tatsächlich vor dieser Woche den Vorgang nicht „vollständig“ habe „einordnen und bewerten“ können; zugleich eine Rechtfertigung in eigener Sache: Man habe die Zahlungen sehr wohl entdeckt und gegenüber der DFB-Spitze auch bereits im März „kurz erwähnt“ – allerdings habe damals eben eine 6,7-Millionen-Zahlung des WM-Organisationskomitees (WM-OK) an die Fifa im Mittelpunkt der Untersuchung gestanden, so dass der Oddset-Strang „ohne weitere Nachfragen“ nicht näher dargestellt und im Abschlussbericht auch nicht erwähnt worden sei.
Hinter Oddset steht der Deutsche Lotto- und Totoblock. Bei der WM 2006 war Oddset einer der Hauptsponsoren, Franz Beckenbauer diente ihr als Werbegesicht. Doch die Rechte an Beckenbauers Bild erwarb laut ‚Handelsblatt‘ zunächt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und reichte sie dann an Oddset weiter. Formal waren Beckenbauer und Oddset also vertraglich nicht verbunden.
Die heutige Führung des DFB zeigte sich über die damaligen Zahlungen des Verbandes an Beckenbauer zunächst verärgert. Dass es sich bei Beckenbauers Job als Leiter des WM-OK um ein Ehrenamt gehandelt habe, wie bisher behauptet, sei angesichts dieses Zahlungskonstruktes zweifelhaft. In einem sogenannten Faktenpapier entschuldigte sich der DFB gestern fast: „Die vollständige Recherche des Sachverhaltes gestaltet sich aufwendig. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Vielzahl der Originalunterlagen, die die Tätigkeit des WM-OK 2006 betreffen, derzeit bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt lagern.“
Die Ermitler im Kreuzfeuer
Freshfields hatte mit einem 40-köpfigen Team um den angesehenen Partner Prof. Dr. Christian Duve eine 6,7-Millionen-Euro-Zahlung des WM-OK an die Fifa untersucht. Dabei sei man auch auf die Zahlungen an Beckenbauer für Oddset-Werbeleistungen gestoßen, teilte die Kanzlei nun mit. Allerdings sei man damals zu dem Ergebnis gekommen, „dass dieser Vorgang keinen erkennbaren Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufwies, weshalb er später auch keinen Eingang in den Untersuchungsbericht fand“.
Die Zahlungen an Beckenbauer seien jedoch schon in einer Sitzung des DFB-Vorstand im März zur Sprache gekommen, und die aktuelle DFB-Spitze sei am Montag dieser Woche ausführlich zur Vertragsdokumentation und den konkreten Zahlungsflüssen von der Kanzlei informiert worden. JUVE gegenüber versicherte Freshfields heute, dass die Kanzlei aktuell kein Untersuchungsmandat des DFB habe.
Das Puzzlespiel geht weiter
Trotz fehlender Unterlagen hatte der Verband in seiner gestrigen Mitteilung recht ausführlich darlegen können, wie es zu dem Deal rund um Beckenbauers werbliche Tätigkeiten für Oddset kam. Ursprünglich war demnach vereinbart worden, dass die Werbeleistung Beckenbauers erfolgsorientiert und prozentual zu den Einnahmen des DFB aus der WM vergütet werden sollte. Doch aufgrund eines Bundesverfassungsgerichtsurteils, das die künftige Rechtsgrundlage der staatlichen Sportwetten und somit auch Oddsets in Frage stellte, wurde Beckenbauers Honorar später in eine Festvergütung umgemünzt. Der DFB habe 2005 und 2006 in vier Raten zunächst 4,5 Millionen Euro gezahlt. Dass ingesamt 5,5 Millionen überwiesen worden seien, lasse sich auch aus der steuerlichen Nachzahlung ablesen, die der Verband 2010 dann leistete.
Die Steuernachzahlungen als Beleg
Fälschlicherweise sei nämlich die damalige Buchhaltung davon ausgegangen „dass es sich bei den Zahlungen nicht um Zahlungen an Herrn Beckenbauer unmittelbar, sondern um Zahlungen an die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH Dr. jur. Wilfried Krebs handelte und deshalb kein Anwendungsfall des § 50a EStG vorlag. Die sofortige Abführung der Abzugssteuer unterblieb daher, die Beträge wurden in voller Höhe an den Empfänger ausgezahlt.“ Das Steuerberatungsbüro Krebs hat seinen Sitz in Salzburg und somit in Beckenbauers Wahlheimat.
Als die Zahlungen im Zuge einer Betriebsprüfung des DFB im Jahr 2010 hinterfragt wurden, meldete der DFB sie beim Finanzamt Frankfurt nach und überwies knapp 1,2 Millionen Euro an die Steuerbehörde. Weitere 170.000 Euro zahlte der Verband 2011, nachdem er ein Steuer-Ordnungswidrigkeitsverfahren in der Angelegenheit überstanden hatte.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen die ehemaligen Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie den früheren Generalsekretär Horst Schmidt. Der DFB hatte daher bereits im vergangenen Jahr den Wirtschaftsstrafrechtler Dr. Daniel Krause aus der Berliner Sozität Krause & Kollegen und den Steuerstrafrechtler Olaf Leisner mandatiert, Namenspartner der Münchner Spezialkanzlei Leisner Steckel Engler.
Viele Baustellen für den Kaiser
Franz Beckenbauer lässt sich von dem erfahrenen Münchner Strafrechtler Werner Leitner und dem Hamburger Presserechtler Michael Nesselhauf beraten. Die Ethik-Kommission des Weltfußballverbandes Fifa ermittelt gegen den 70-Jährigen wegen Bestechungsverdachts im Zusammenhang mit der Fußball WM 2006. Zudem hat die Schweizer Staatsanwaltschaft jüngst Strafverfahren gegen Beckenbauer und weitere Fußballfunktionäre eingeleitet. „Insbesondere wegen des Verdachts des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung, der Geldwäscherei sowie der Veruntreuung“ habe sie seit November ermittelt. Geschädigter ist den Ermittlern zufolge der Deutsche Fußball-Bund.