Pricing-Modelle

Berater, Einkäufer, Prozessmanager − Inhouse-Experten berichten aus der Praxis

Kühne KI-Visionen einerseits, Festhalten an eingeschliffenen Abläufen andererseits – bei der Mandatierung und Steuerung externer Rechtsberater klaffen Wunsch und Wirklichkeit in vielen Rechtsabteilungen noch weit auseinander. Doch allmählich kommt Bewegung in die Sache. JUVE hat sich zwei Praxisbeispiele angeschaut.

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Was im Organisationssprech oft „Outside Counsel Management“ heißt, lastet heute in internationalen Konzernen schon eigene Vollzeitstellen aus. Die Zusammenarbeit mit Kanzleien zu koordinieren und die Mandatskonditionen zu verhandeln, ist schließlich komplex genug. Reichlich Arbeit also für diejenigen, die diese Aufgabe nebenher erledigen müssen, während sie als Inhouse-Juristen beraten und vielleicht auch noch eine eigene Abteilung leiten. Umso mehr, als kaum jemand auf einem solchen Posten die ganze Klaviatur beherrscht, auf der erfahrene Einkäufer spielen.

Doch Nägel mit Köpfen kann man auch mit begrenzten Ressourcen machen. Nina Stoeckel, Leiterin Compliance & Integrity bei dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim, hat ihre Berater schon auf Pricing-Modelle getrimmt, die anderswo noch reine Zukunftsmusik sind. „Für Compliance-Projekte holen wir fast immer Festpreisangebote ein“, berichtet sie. „Mein Eindruck ist, dass die Kanzleien fixed fees schon ganz gut kalkulieren können – meistens.“ Wenn nicht gleich Festpreise vereinbart werden, gehören Kostendeckel für einzelne Compliance-Projekte oder Projektbestandteile zum Standardrepertoire. Auf Discounts achtet man in Ingelheim ohnehin.

Nina Stoeckel, Leiterin Compliance & Integrity bei Boehringer Ingelheim kauft Compliance-Beratung fast nur noch zu Festpreisen.

Für Stoeckel ist die Preisdiskussion nichts Neues; bei ihrem vorherigen Arbeitgeber Merck hat sie bis 2022 die Legal- und Compliance-Operations-Funktion aufgebaut und Panel-Prozesse mitgesteuert. Auch deswegen dürfte die Compliance-Abteilung bei Boehringer recht weit vorne dabei sein, was alternative Pricing-Modelle angeht. „Für das, was an laufender Beratung in Compliance-Fragen anfällt, haben wir spezialisierte Kanzleien auf Retainer-Basis mandatiert. Diese Aufträge vergeben wir jährlich neu“, sagt Stoeckel. Und lässt durchblicken, dass es manchmal auch eine Abkürzung zum gewünschten Ziel gibt: „Bei Honorarverhandlungen hilft es enorm, jemanden im Team zu haben, der einmal in einer Kanzlei gearbeitet hat.“

Mit begrenzten Mitteln arbeitet auch die Spezialchemiesparte des Freudenberg-Konzerns, wenn es um Recht und Compliance geht. Zwar hat die Konzernrechtsabteilung einen Panelprozess aufgesetzt und mandatiert zentral. Die Kosten trägt allerdings die Geschäftseinheit, für deren Business die Rechtsberatung in Auftrag gegeben wird. Bei den meisten planbaren Aufgaben, für die externe Unterstützung nötig ist, geht es darum am Ende um eine erweiterte Make-or-Buy-Entscheidung, meint Dr. Philipp Großkopf, Head of Compliance, Risk und Legal Support bei der Freudenberg-Tochter Klüber Lubrication. Die maßgeblichen Kriterien: Kosten und Qualität.

„Ab welcher Kostenschwelle, in Euro pro NDA beispielsweise, lohnt es sich, statt es extern zu vergeben, es doch intern zu betreuen oder etwa ein internes Shared-Service-Center zu beauftragen mit einem Playbook? Ab wann lohnt es sich, den Auftrag an einen externen Managed-Legal-Services-Anbieter zu geben? Und: Bis zu welchem Risiko muss ich mit einer Rechtsfrage nicht die Konzernrechtsabteilung behelligen, sondern kann das Risiko selbst im Business tragen mit Standardvorgaben?“ Kosten und Qualität, so Großkopf weiter, bilden allerdings kein Gegensatzpaar. „Manche Standardaufgaben erledigt ein Service Center wahrscheinlich sogar besser, weil man sie dort in großer Zahl macht und in- und auswendig kennt.“

Philipp Großkopf, Compliance- und Legal-Chef bei Klüber Lubrication, setzt auf bessere Daten als Basis für Entscheidungen.

Wenn eine Buy-Entscheidung gefallen ist, kommt bei Freudenberg ein ziemlich ausgefeilter Auswahlprozess in Gang. Die Konzernrechtsabteilung arbeitet mit internen Vendor Scorecards, die für rund ein Dutzend Qualitätskriterien Punkte messen und daraus einen Score errechnen. „Qualität meint für uns dabei nicht nur fachliche und Service-Qualität, Erreichbarkeit usw., sondern auch etwa die Einhaltung unserer Billing-Guidelines, und Entscheidungsgrößen wie den durchschnittlichen Discount, die durchschnittliche Blended Rate und das zahlenmäßige Partner-Associate-Verhältnis im Mandat“, erklärt Großkopf. „Diese Daten zu sammeln, reicht natürlich nicht, aber als Basis für eine Abwägung nach Prioritäten sind die Daten unverzichtbar. Beim datengestützten Evaluieren und Verhandeln als aktive Steuerung und zur Kostenoptimierung kann man auch von den Einkäufern im Unternehmen eine Menge lernen.“  

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ist allerdings auch bei Freudenberg und deren Tochter Klüber noch Zukunftsmusik, wenn es um Mandatierung und Preisfindung geht – auch wenn man bei kleineren Zuarbeiten im Contract Management bereits mit KI arbeitet. „Ich kann mir vorstellen, dass eine KI die Erstellung der rein regelbasierten Vendor Scorecards effizienter machen würde. Die Vergabeentscheidung wird aber immer eine individuelle Abwägung sein“, meint Großkopf.

KI als Sparringspartner

Ähnlich sieht es derzeit noch bei Boehringer aus. „Unser Ziel für 2025 ist in unserem Team: Use AI like Google. Aber da stehen wir noch recht am Anfang“, sagt Compliance-Chefin Stoeckel. Erste Einsatzmöglichkeiten sieht sie nicht so sehr bei Preiskalkulationen, sondern dort, wo bisher für Kanzleien und ihre Mandanten wohl die lästigste Handarbeit anfällt. „Ein möglicher Anwendungsfall wäre, Daten aus Beraterrechnungen in unterschiedlichen Formaten zu extrahieren und zu analysieren. Entsprechende Funktionalitäten hat Microsoft Copilot ja bereits.“

Alles Weitere ist Verhandlungssache nicht nur im Dialog mit externen Kanzleien und in manchen Fällen auch alternativen Rechtsdienstleistern, sondern auch mit der künstlichen Intelligenz, prophezeit Klüber-Jurist Großkopf. „Das Schöne ist ja, dass man sich im Dialog mit der Maschine möglichen Lösungen annähert.“ Die Microsoft 365-Anwendungen mit Copilot, die auch Freudenberg einsetzt, sind schließlich dafür gemacht, dass man sich mit dem System unterhalten kann. „Viele Mitarbeiter nutzen das auch. Hier ist die Methode schlicht Trial-and-Error, beim Prompten erst recht. Man schreibt eben keine Excel-Formel, die ein und nur ein immer gleiches Ergebnis kennt.“

Let’s talk about money!
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